Die Geheimnisse eines einladenden Gastraums

Profi-Tipps von Interior-Expertin Julia Kohn

Stellen Sie sich vor: Sie gehen auf einen Gastraum zu und können bereits aus der Entfernung den angenehm beleuchteten Raum erspähen. Sie öffnen die Tür und plötzlich umweht ein köstlicher Duft von frischgebrühtem Kaffee, winterlichem Zimt oder weihnachtlicher Gans Ihre Nase. Sie treten weiter in den Raum, laufen an eindrucksvollen Wandbildern vorbei und setzen sich auf einen weichgepolsterten Stuhl. Während Sie Ihren ersten köstlichen Bissen in den Mund nehmen, vernehmen Sie leise Musik aus dem Hintergrund. Wie fühlen Sie sich? Im besten Falle: angekommen, aufgehoben und weit weg vom Alltagsstress – zumindest für diesen einen Moment.

Genau diese Empfindungen und Bedürfnisse für die eigenen Gäste „vorzuspüren“ und bei der Planung der Inneneinrichtung des Betriebs zu berücksichtigen, ist keine leichte Aufgabe. Creative Director Retail Julia Kohn von Kramer Ladenbau besitzt eine langjährige Expertise auf diesem Gebiet und erzählt uns im Interview, worauf es bei der Gestaltung eines Gast- bzw. Speisenraumes ankommt.

Planung des Grundrisses

Wie geht man bei der Planung der Inneneinrichtung einer (Betriebs-)Gastronomie vor?

  1. Da jedes Projekt und auch somit jeder unserer Kunden unique ist, liegt im ersten Schritt unser Fokus darauf im Rahmen eines Briefings und Vorort-Termins die Wünsche und ggf. auch schon die bestehenden Prozesse unserer Kunden zu verstehen. Mit diesem Input starten wir mit der Planung des Grundrisses und legen hierbei großen Wert darauf die zur Verfügung stehende Fläche sowohl für zukünftige Gäste als auch für den/die Betreiber:in effizient und attraktive aufzuteilen. 
     
  2. Im nächsten Schritt legen wir dann den Fokus ein Erlebnis zu kreieren – hierbei entwickeln wir anhand von Moodboards eine Story, welche sich dann auch auf der gesamten Fläche widerspiegeln soll. Außerdem werden Farben und Materialien ausgewählt, welche auch eine bereits bestehende Corporate Identity aufgreifen können. 
     
  3. Danach geht es dann Step by Step ins Detail und wir vermitteln anhand von Visualisierungen und Ansichten, wie das neue Gastronomiekonzept aussehen kann. Hierbei kann der/die zukünftige Betreiber:in das erste Mal sehen, wie die Gastronomie aussehen wird. 
     
Dummy

Was ist für Sie bei der Planung unverzichtbar?

Von Anfang an behalten wir dabei das zur Verfügung stehende Budget im Auge und planen auch entsprechend des Budgets Elemente wie z.B. Bestuhlung, Grafik und Beleuchtung mit. Im Fokus stehen auch immer der Austausch und gemeinsame Workshops mit dem/der Betreiber:in, da gerade dieser Input sehr wichtig für ein optimales finales Ergebnis ist.

Moodboard

Worauf sollte man bei der Auswahl von Farben, Möbeln etc. achten?

Im ersten Schritt sollte man darauf achten nicht einfach „alles“ auszuwählen, was einem gefällt, sondern eine Story und eine Gestaltungsrichtung haben, an der man sich orientieren kann. So setzt man sich schon einmal einen groben Rahmen, in dem man sich letztendlich bewegt und der das Ganze am Ende auch als harmonisches und in sich stimmiges Gesamtkonzept daherkommen lässt.

Auch sollte man beachten, dass die ausgewählten Elemente nicht nur einem kurzweiligen Trend entspringen, sondern auch nachhaltig und längerfristig funktionieren. Trendteile können dann wiederum Highlights sein, die man schnell und auch eher kostengünstig wieder ersetzen kann.

Behalten Sie hierbei nicht nur ihren Geschmack im Auge, sondern auch den Ihrer Zielgruppe. Auch hierbei helfen das Branding und eine Storyline für Ihr Konzept. Auf ein Moodboard z.B. kann man immer wieder zurückblicken und prüfen, ob man sich noch in der definierten Welt bewegt.
 

Beleuchtung planen

…und bei der Beleuchtung?

Gerade das Thema der Beleuchtung wird oft unterschätzt und etwas stiefmütterlich behandelt. Hier können wir als Ladenbauer immer unterstützen und auch mit der Beleuchtung unterschiedliche Szenarien und Stimmungen kreieren, die das Gesamtkonzept unterstützen. Selbst tageszeitliche Anpassungen können problemlos vorab erstellt und programmiert werden, so dass das Licht am Abend zum Beispiel etwas gemütlicher wird und der Gastraum von der Tagesgastronomie zur Bar wechselt.

Welche Rolle spielt diese Auswahl für das Branding/die Story und die Wahrnehmung durch die Gäste?

Das Branding bzw. die Story hinter dem Gastronomiekonzept sind extrem wichtig, um konsistent zu bleiben und ein harmonisches Gesamtbild zu erzielen. Dies werden die Kunden am Ende, wenn auch unterbewusst, definitiv wahrnehmen und es wird zum Wohlfühlfaktor beitragen.

Multisensorik

Gibt es hilfreiche „Tricks“ aus dem multisensorischen Marketing, die man bei der Einrichtung beachten kann?

Beim multisensorischen Marketing ist es wichtig, dass auch hier die Story des Konzepts im Vordergrund steht und dementsprechend alle Maßnahmen die Sinne ansprechen. Wenn Sie also z.B. ein gastronomisches Konzept entwickeln, welches einen Chalet-artigen und urigen Charakter vermitteln soll, darf sich dies nicht nur in der Materialisierung und Beleuchtung widerspiegeln, sondern sollte auch bei der Musikauswahl und zusätzlichen Audio-Effekten wie z.B. dem Knistern eines Kamins (Akustik), einem holzigen Raumduft und auch entsprechenden haptischen Reizen unterstützt werden. Stellen Sie sich zum Beispiel einmal vor Sie sitzen in einem Chalet und es riecht auf einmal nach tropischen Pflanzen – das würde einfach nicht passen.

Wichtig ist es stets im Auge zu behalten, die multisensorischen Maßnahmen nicht zu übertreiben. Eine dezente Umsetzung ist hier der bessere Weg.
 

Zufriedene Gäste

Welche (erhofften) Auswirkungen haben diese? Wie kann man Gäste eventuell überraschen, sodass die Gastronomie positiv im Gedächtnis bleibt?

Von solchen multisensorischen Maßnahmen verspricht man sich letztendlich ein authentisches Erlebnis, welches die Gäste abholt und für kurze Zeit in eine andere Welt entführt. Der Besuch der Gastronomie wird also zu einem Erlebnis, welches man in positiver Erinnerung behält und gerne wiederholen möchte. Und noch besser ist es natürlich, wenn das multisensorische Marketing für die Gäste im Unterbewusstsein stattfindet und sie sich gar nicht erklären können, warum der Besuch der Gastronomie solch ein Erlebnis war.

Ihre Top-Tipps, wie man mit kleinem Aufwand (schnell erledigt oder geringes Budget) etwas wirkungsvoll im Betrieb umgestalten kann?

  • Ein neuer Wandanstrich oder eine Tapete mit Muster als Eyecatcher.
  • Die Erneuerung der Beleuchtung, um eine andere Grundstimmung zu erzeugen.
  • Kleine dekorative Elemente wie z.B. Kissen auf der Sitzbank, Vasen, Bilder an der Wand, welche alle das Gesamtkonzept unterstreichen. Bleiben Sie auch hier Ihrer Story treu.
  • Neue Polster für die Bestuhlung – auch hiermit kann man gleich eine große Änderung bewirken.
  • Die Erneuerung einer Thekenfront in einer Betriebsgastronomie oder das Folieren einer Ablufthaube in einer farbigen Folierung, um die gestalterische Richtung neu zu definieren.
  • Das Umstellen oder eine neue Zonierung des Sitzbereichs, um sowohl Prozesse zu optimieren (z.B. Laufwege) oder auch ein neues Raumgefühl für die Gäste zu erreichen.

Interieur-Fotos und Grundriss © KRAMER.