Strategien für ein optimales Reklamationsmanagement

Heutzutage ist alles anders: Während meiner Ausbildung zum Hotelfachmann in den 80er Jahren wurde ich noch mit folgender Aussage konfrontiert: „Bei uns gibt es keine Reklamationen – Wer reklamiert, kann gerne gehen.“ Schon damals mehr als fragwürdig, ist diese Aussage in der heutigen Zeit schlichtweg undenkbar. Ja, negatives Feedback über eine erbrachte Dienstleistung ist oft zunächst frustrierend. Aber: Gästereklamationen sind überaus wertvoll und können ein echter Gamechanger für ein Unternehmen sein. Daher ist das Reklamationsmanagement mittlerweile zu einem fundamentalen Bestandteil der gesamten Customer-Experience geworden.

Reklamation im Restaurant

Was versteht man genau unter "Reklamationsmanagement"?

Ein modernes Reklamationsmanagement ergreift systematisch standardisierte Maßnahmen, um mit Kritik umzugehen und Gäste wieder zufriedenzustellen. Ganz sachlich betrachtet geben Gäste Ihnen damit die Möglichkeit, sich zu verbessern und gegenüber dem Wettbewerb eine bessere Position zu haben. Und diese Rückmeldungen sollten Sie sogar schätzen, denn: Dass Gäste sich die Zeit nehmen um sich zu reklamieren, ist gar nicht so selbstverständlich. Statistiken haben ergeben, dass gerade mal 5 % unserer Gäste ihren Unmut gegenüber einer erbrachten Dienstleistung äußern. Das bedeutet, 95% unserer Gäste wandern einfach ab, ohne ein Feedback abgegeben zu haben. Oder die Gäste teilen ihren Unmut ungefiltert in den sozialen Netzwerken mit. So wissen Unternehmen nicht, wo bei den Gästen quasi der Schuh drückt, oder erfahren viel zu spät, wo er während des Aufenthaltes gedrückt hat. Sollten Sie dauerhaft aus dieser Position heraus agieren, kann es schwierig sein, Verbesserungen vorzunehmen. Teilen die Gäste aber ihre Kritik, sieht das anders aus. Was sind also die Ziele des Reklamationsmanagements, mit dem Sie auf die Feedbacks reagieren können?

Zufriedener Gast

Die Zielsetzungen im Reklamationsmanagement sind:

  • Gäste, die sich beschweren, wieder zufriedenstellen und durch eine schnelle und lösungsorientierte Bearbeitung der Reklamation einen positiven Eindruck bei ihnen hinterlassen.
  • Das Produkt bzw. die Dienstleistung und die Prozesse dahinter so verbessern, dass künftig keine Reklamationen mehr entstehen.
  • Verhindern, dass Gäste aufgrund schlechter Erfahrungen abwandern. Stattdessen werden sie mit überdurchschnittlich guter Chance wieder vom Unternehmen überzeugt, sodass sie auch künftig treue Gäste bleiben. Warum das so ist?
  • Ihr Image profitiert von einem gastorientierten Auftreten bei Reklamationen.
  • Dies ist zugleich eine Chance, sich von der Konkurrenz abzuheben.
  • Ein Reklamationsmanagement verbessert die Beziehung zu Ihren Gästen
  • Ein unzufriedener Gast kommt selten allein, nicht alle beschweren sich. Lösen Sie die Reklamation eines Gastes (bspw. indem Sie Rezepturen eines Gerichts optimieren), machen Sie damit wahrscheinlich auch viele weitere Gäste glücklich. Auch auf den Umsatz kann das positive Auswirkungen haben.
  • Es stärkt die Gästebindung. Loyalere Gäste bedeuten, dass Sie weniger Ressourcen in Ihr Marketing investieren müssen, um neue Gäste zu akquirieren, denn Gäste empfehlen Unternehmen auch eher online und persönlich weiter.
  • Indem Gäste durch ihre Reklamation auf Verbesserungspotenziale bei Leistungen, Produkten oder Prozessen aufmerksam machen, können Kosten eingespart werden.
  • Stetige Optimierungen und Anregungen bergen außerdem Potenzial für Innovationen.
Beschwerde-Management

Direktes versus indirektes Reklamationsmanagement


1.    Direktes Reklamationsmanagement
Hier kümmern sich Unternehmen um die Reklamation selbst. Es geht darum, das Gästeanliegen aufzunehmen, es möglichst schnell zu bearbeiten und gastorientiert zu lösen.


2.    Indirektes Reklamationsmanagement
Um aus der Reklamation auch tatsächlich eine generelle Verbesserung ableiten zu können, ist Aufgabe des indirekten Reklamationsmanagements. Bei diesem Prozess identifiziert das Unternehmen die Ursache hinter der Reklamation ist und was getan werden kann, um dieses Problem zu beheben. Dieser Teil des gesamten Prozesses läuft also intern und nicht im direkten Gastkontakt ab.
 

8 Maßnahmen im Reklamationsmanagement


Folgende acht Maßnahmen empfehlen wir im direkten Reklamationsmanagement zu ergreifen.

Hinweis: Wichtig dabei ist, dass Ihre Mitarbeitenden alle geschult sind und den gleichen Kenntnisstand besitzen. Zudem sollten Lösungen für Reklamationen größtmöglich standardisiert sein. Ihre Mitarbeitenden sollten zudem einen maximalen Handlungsspielraum erhalten, um dem Gast gegenüber Kompetenz und Zuverlässigkeit ausstrahlen zu können. 
 

1. Reklamationen aktivieren

Machen Sie es Ihrem Gast so einfach wie möglich, mit Ihnen Kontakt aufzunehmen. Denn nichts ist frustrierender für den Gast, als wenn er sich mit einem Problem an ein Unternehmen wenden möchte und einfach keine Möglichkeit dazu findet. Gehen Sie nicht einfach davon aus, dass Reklamationen Sie schon irgendwie erreichen werden. 
Gäste sollten die Kontaktmöglichkeiten also schnell finden können und nicht auf verschiedenen Unterseiten im Internet nach Kontaktdetails suchen müssen. Schaffen Sie möglichst viele Anlaufstellen zum Beispiel durch…
•    …die direkte Gastansprache durch ihren Mitarbeiter – lesen Sie hierzu den Punkt „Reklamationen annehmen“,
•    …das Abbilden von QR-Codes aus dem Tisch,
•    …Kontaktformulare auf der Website,
•    …Social Media oder per E-Mail,
•    …eine Hotline,
•    …Benefits für den Gast für ein ehrliches Feedback z.B. in Form von Gutscheinen, einem Glas Sekt, Digestif nach Wahl etc. 

2. Reklamationen annehmen

Bleiben Sie ruhig und höflich. Hören Sie dem Gast aufmerksam zu. Lassen Sie ihn ausreden. Halten Sie Blickkontakt und nicken Sie. Geht es gegen uns als Person? Nein, der Gast reklamiert, weil seine Erwartungen an unsere Leistung nicht erfüllt wurden. Es geht um das, was wir im Rahmen unserer Aufgabe im Betrieb umsetzen, unsere berufliche Leistung - nicht um uns als Privatperson.

3. Die Konfliktbereinigungsphase

Wiederholen Sie, was Sie verstanden haben. Fragen Sie nach, wenn es Unklarheiten gibt: „Habe ich richtig verstanden, dass…?“ Zeigen Sie Verständnis und dass es Ihnen leid tut, dass der Gast unzufrieden ist. Ehrlich. „Das tut mir leid, ich verstehe, dass Sie unzufrieden sind.

4. Die Problemlösungsphase

Bieten Sie dem Gast eine Lösung an, die Sie sofort umsetzen können. Seien Sie großzügig, im Rahmen Ihrer intern vereinbarten Möglichkeiten.  Bitte niemals mit dem Gast diskutieren oder Begründungen nennen. Gefällt dem Gast keine Ihrer Lösungen, fragen Sie ihn: „Was kann ich tun, damit Sie wieder zufrieden sind?“ 
Sollten Sie zusammen mit dem Gast keine Lösung finden, holen Sie sich Hilfe bei Kollegen: „Gern hole ich meinen Chef/meine Chefin“/meine Kollegin/meinen Kollegen. Diese/r hilft Ihnen gern weiter.“
 

5. Abspannphase

Ist eine Lösung gefunden, bedanken Sie sich beim Gast. Dafür, dass er Ihnen seine Unzufriedenheit mitgeteilt hat und nun wieder zufrieden ist: „Danke, dass Sie mir das gesagt haben.“

6. Follow-up

Ergibt sich die Gelegenheit, fragen Sie nach, wie die Lösung funktioniert hat: „Wie hat das neue Essen geschmeckt?“

7. Reklamation prüfen

Die Reklamation prüfen Sie intern im indirekten Reklamationsmanagement, nachdem Sie eine Lösung mit dem Gast gefunden haben.

8. Auswertung im Rahmen des indirekten Managements

  • Auswertung der Reklamationen: Alle Reklamationen werden zusammengetragen und die Sachverhalte analysiert: Wo liegen die Ursachen?
  • Controlling: Hier prüfen Sie, ob Reklamationen auch an der richtigen Stelle im Unternehmen angekommen sind, ob alle Richtlinien eingehalten wurden, die es zum Reklamationsmanagement gibt, und wie das Kosten-Nutzen-Verhältnis des Prozesses aussieht.
  • Reporting & Qualitätssicherung: Das Management oder andere leitende Personen erhalten einen Report zu dieser Auswertung. Sie können darauf basierend entscheiden, welche Maßnahmen Sie treffen möchten.

9 Tipps, wie Sie Reklamationen gut managen

  1. Seien Sie emphatisch und zeigen Sie Verständnis für die Probleme des Gastes.
  2. Schulen Sie Ihre Service-Mitarbeitenden im Umgang mit negativem Feedback. Zum Beispiel in unserem Workshop Reklamation – Ja bitte!
  3. In der Kommunikation mit Gästen sollten Sie immer einen kühlen Kopf bewahren und höflich bleiben.
  4. Sich zu rechtfertigen ist eine der schlechtesten Methoden, um mit Kritik umzugehen. Selbst wenn Sie keine Schuld trifft, sollten Sie nicht in die Defensive geraten. Vermitteln Sie dem Gast das Gefühl, dass Sie es wertschätzen, dass er sich mit seinem Anliegen an Sie wendet.
  5. Eine ehrliche Entschuldigung ist für Gäste oft schon viel wert. In vielen Fällen wollen sie einfach gehört werden – also lassen Sie sie wissen, dass ihre Meinung wichtig für Sie ist.
  6. Seien Sie großzügig im festgesteckten Rahmen.
  7. Nehmen Sie Reklamationen nicht persönlich- agieren Sie auf einer Sachebene.
  8. Sehen Sie in Reklamationen immer eine Chance und nicht die Gefahr.
Dummy

Fazit

Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussieht: Reklamationen sind ein echter Mehrwert für Ihr Unternehmen. Mit dem richtigen Ansatz können Sie sie zu Ihrem Vorteil nutzen und Ihr Unternehmen auf ein neues Level heben. Ein methodisches Reklamationsmanagement hilft Ihnen, enttäuschte Gäste wieder zufrieden-zustellen. Schließlich ist der beste Weg, um bestehende Gäste zu halten und neue zu gewinnen, sie mit Ihrem Service zu überzeugen. Wenn Sie richtig mit Reklamationen umgehen, helfen Sie Ihnen außerdem dabei, Ihre Produkte, Dienstleistungen oder Prozesse zu verbessern.

Übrigens: Ist es Ihnen im Artikel aufgefallen? Wir sprechen die ganze Zeit von „Reklamationen“ und nicht von „Beschwerden“. Wieso das so ist und worin der Unterschied liegt: 

Reklamationen: 
Das Produkt ist defekt oder weist Mängel auf bzw. die Dienstleistung ist mangelhaft. 
Beispiel: Die Suppe ist kalt, das Essen versalzen, das Hotelzimmer nicht gereinigt etc.
Beschwerden:
Die Gästeerwartungen wurden nicht erfüllt und das Unternehmen konnte für den Gast die Versprechen hinsichtlich seines Produkts oder Dienstleistung nicht halten. 
Beispiel: Das gebuchte Hotelzimmer entsprach nicht der Leistungsbeschreibung, ein gebuchter Ausflug hatte nicht die vorgegebene Dauer, die Lage des Hotels entsprach nicht der Katalogbeschreibung etc.
 

Alexander Westhäußer
Über unsere Autoren
Alexander Westhäußer

Für Fragen rund um Marketing, Verkauf, Kundenloyalität sowie Beschwerde- und Qualitätsmanagement steht Ihnen Alexander Westhäußer zur Seite. In seiner beruflichen Karriere arbeitete er nicht nur in verschiedenen Bereichen des Hotelgewerbes, sondern auch im Marketing für unterschiedliche Hotelkooperationen und Hotelgruppen. Seit 2012 ist er nun erfolgreich als Dozent unterwegs.