Stadioncatering
Jenseits von Bier und Bratwurst
Ein Bundesliga-Stadion allein am Geruch erkennen? Klingt ein bisschen nach einer verrückten Idee für Wetten, dass…? , ist aber gar nicht so abwegig, wenn man Katharina Kienemann und Jan Boysen vom 1. FC Union Berlin glauben möchte. Denn im Stadion An der Alten Försterei, dem Wohnzimmer der Eisernen, wird die Stadionwurst auf Holzkohlegrills zubereitet (das sorgt für den besonderen Duft) und ansonsten der volle Fokus auf ursprüngliche Fußballkultur gelegt. „Ganz traditionell. Keine musikalische Dauerbeschallung, keine Moderation nach amerikanischem Muster, keine Event-Arena mit Schickimicki für die Schickeria und keine Spielchen auf dem Rasen“, erläutert Kienemann, Prokuristin der Alte Försterei Veranstaltungs GmbH & Co. KG. „Zu uns gehst du, um Fußball in Reinkultur zu genießen, um mit den anderen Fans eine gute Zeit zu haben“, ergänzt Boysen, Geschäftsführer Marketing & Vertrieb beim 1. FC Union Berlin. „Wir sind da gern ganz traditionell.“ Jetzt aber soll die Heimspielstätte der Eisernen aus Köpenick bis 2025 in weiten Teilen neu gebaut werden – dabei aber unverwechselbar bleiben.
Weil Berlin boomt
Mit dabei an der Alten Försterei: die von Michael Vogler geleitete Berliner Niederlassung von CHEFS CULINAR. Auf der Haupttribüne ist das Logo zu sehen, im Blickfeld der Fans läuft Bannerwerbung für Foodservice und regelmäßig ist auch Gebietsverkaufsleiter Marko Dressler da, der dort immer wieder auch Kunden trifft. „Berlin boomt, wir bauen eine neue Niederlassung – und passend dazu bauen wir unsere Netzwerke aus.“ Gemeinsam in der Schlosserei fachsimpeln, die einmalige Stadion-Atmosphäre genießen – herrlich. Dabei stellt man immer wieder fest: Fußball verbindet.
Sterneköche beim Sportclub
700 Kilometer weiter südlich hat ein anderer Sympathieträger aus der Bundesliga sein neues Stadion gerade erst in Betrieb genommen – und setzt gastronomisch ebenfalls markante Duftmarken. Nur riecht es beim SC Freiburg eben nicht nach Holzkohle (stattdessen setzt man auf Strom, Edelstahl und Photovoltaik), sondern nach Flammkuchen, Maultäschle und der Roten, wie die beliebteste Bratwurst hier heißt. Und während man in der Fankurve Schorle oder Bier trinkt, spielen für die VIPs in den Logen zwei Sterneköche aus der Region Doppelpass: Daniel Fehrenbacher aus dem Adler in Lahr und Thomas Merkle, der sonst in Endingen am Kaiserstuhl den Löffel schwingt.
Bier oder Krustentier
Vier Gänge gibt es in den Logen für je 10 Personen vor dem Spiel. Wie im Restaurant wird auf Tellern serviert und nicht am Buffet gekämpft. Dass sich Baden und der Schwarzwald als Stadioncatering Genussregion verstehen, wird schnell deutlich, wenn man die Jakobsmuschel mit Krustentierschaum verputzt, zum Feldsalat eine Praline mit Geflügelleber kredenzt wird und dann ein sous-vide gegartes Stück Shortrib vom Hinterwälder Rind. Wer will, kann den Köchen in ihren Showküchen sogar bei der Arbeit zusehen und spürt: Regionalität und Weltoffenheit sind beim Sportclub ganz wichtig. Passend dazu hat man mit der Bellini-Gruppe einen Caterer aus der Stadt unter Vertrag, der die aktuell 13 Kioske im neuen Europa-Park Stadion betreibt. Rund 17 000 Liter und ebenso viele Bratwürste verdrücken die 34 700 Fans pro Spieltag, on top kommt das Catering für die inzwischen 1920 Business-Gäste und VIPs. Das Catering selbst organisieren oder mit einem lokalen Partner arbeiten: Das machen derzeit elf von 18 Bundesligisten. Marktführer ist nach wie vor Aramark (270 000 Mitarbeiter in 19 Ländern), die in Köln, Stuttgart, Dortmund, Gladbach, Bochum, Wolfsburg und bei der Hertha fürs leibliche Wohl sorgen und damit in sieben von 18 Arenen zu finden sind. Zurück nach Berlin. Zu Union und damit zu einem Verein, der eben auch nicht Mainstream ist und hinter dem anders als in Leverkusen, Wolfsburg, Hoffenheim oder Leipzig eben kein Mäzen und kein Konzern steht. Wenn die Unioner ein Stadion bauen, dann gehen sie nicht zum Festgeldkonto oder warten auf Fördergelder rund um eine Fußball-WM, sondern packen selbst mit an. Mehr als 2300 freiwillige Helfer waren 2008/2009 mit von der Partie und haben ehrenamtlich 140 000 Arbeitsstunden investiert, um neue Stehplatzränge anzulegen und ihrem Verein so einige Millionen Euro zu sparen.
Kein Event-Mainstream
Für den aktuellen sportlichen Erfolg der Berliner und die wachsende Zahl der Fans ist das Stadion An der Alten Försterei mit seinen nur 22.012 Plätzen trotzdem einfach zu klein. „Die Nachfrage nach Dauerkarten ist größer als das Angebot und auch in unseren VIP-Bereichen sind wir immer ausgebucht“, sagt Geschäftsführer Jan Boysen. Also soll wieder gebaut werden. Im Zeitalter der multifunktionalen Kommerz-Arenen soll im Stadtteil Köpenick auch künftig der Gegenentwurf zum Event-Mainstream verwirklicht und gelebt werden. „Wir behalten unseren Charakter und die Stehplatzatmosphäre“, bestätigen Kienemann und Boysen. Wie besonders die Unioner ihren Fußball feiern, bestätigt jeder, der mal da war: Die Fans singen gern mal 90 Minuten durch – und das unabhängig vom Spielstand. Wo gibt’s das sonst noch? In Liverpool? In Manchester an der Stamford Bridge? Zum besonderen Geist von Union gehört auch, das Stadioncatering eisern in eigener Hand zu behalten. Getrunken wird Berliner Pilsener und die Unioner bestimmen selbst, welche Bratwurst, welche Krakauer und welches Nackensteak über ihrer Holzkohle brutzelt. „Wer kein Fan von Gegrilltem ist, findet bei unseren Konzessionären natürlich auch vegane oder vegetarische Alternativen wie gefüllte Fladenbrote oder die beliebten Fischbrötchen“, sagt Katharina Kienemann, die bei Union den Bereich F&B verantwortet.
Zwanglos am Stehtisch
Trotz aller Liebe zur Tradition: Gerade im großen VIP-Bereich, der Schlosserei mit ihren 1000 Plätzen, wagt man sich immer wieder mal auch an Neues. Einerseits, um auf neue Ernährungsgewohnheiten einzugehen und den Gästen eine breite Angebotspalette zu bieten, andererseits, um neben einem perfekten Service auch die Möglichkeit zu bieten, zwanglos am Stehtisch beim Fachsimpeln über das Spiel zu essen. Manches Experiment braucht ein bisschen Zeit, um angenommen zu werden – wie das Bowl-Buffet. „Die Wünsche unserer Stammgäste sind für uns natürlich von großer Bedeutung“, sagt dazu Katharina Kienemann und schiebt hinterher. „Wir haben aber auch den Anspruch, neue Gäste von unseren Angeboten zu überzeugen und jeden Spieltag zu etwas Besonderem zu machen. Dass Union dafür seinen VIP-Bereich mit derzeit 1650 Plätzen ausbaut, um der Nachfrage sowohl auf Seiten der mehr als 50 000 Mitglieder als auch auf Sponsorenseite gerecht zu werden, kann Jan Boysen nur bestätigen: „Wir arbeiten an differenzierteren Produkten.“ Neben den bekannten Zehner-Tischen soll es künftig für kleinere Gruppen auch Vierer- und SechserTische geben. In den Eisern Lounges (mit direktem Blick ins Stadion und Platz für je 200 Personen) wird bereits heute mit doppelt eingedecktem Besteck, edlen Weingläsern und feinem Geschirr gehobenes Restaurant-Niveau geboten.
Nur eben weder Häppchen noch Fingerfood, sondern gutbürgerliche Lieblingsgerichte und Seelenfutter: ein schönes Stück Fleisch, ein schöner Braten, gern live aufgeschnitten und mit leckeren Beilagen. Genau die richtige Stärkung vielleicht für einen Kantersieg gegen die Hertha, in deren städtisches Stadion Union während der Bauarbeiten aller Voraussicht nach ausweichen muss. Und das wiederum schmeckt den Union-Fans eigentlich gar nicht…