„Die Küche ist ein Spielfeld für alle Menschen, Geschlechter, Emotionen.“
Zora Klipp, Meta Hiltebrand und Antje de Vries im Interview
Die Zahlen sprechen für sich: 33 Prozent Frauenanteil in der Gastronomie; von 300 Michelin Star Chefs in Deutschland sind nur neun weiblich. Heißt: Die deutsche Gastro-Szene ist (vor allem in den Führungsreihen) noch immer männlich dominiert. Wie ist es dann, als Frau in der Branche zu arbeiten? Woran genau merken Köchinnen, dass sie in einer Männerdomäne arbeiten? Und was muss sich ändern, um die Branche fortschrittlicher zu machen? Anlässlich des Food Innovation Camps, dem Branchentreff der nachhaltigen Food-Szene, haben wir bei drei Köchinnen nachgefragt, die dazu einiges zu sagen haben: Meta Hiltebrand, Antje de Vries und Zora Klipp.
Die Gastronomie gilt noch immer als Männerdomäne. Woran zeigt sich das am deutlichsten?
Antje: Daran, dass in den Küchen einfach immer noch VIEL zu wenig Frauen stehen und dass viele Prozesse, Geräte, Equipment und Kleidung von Männern und für Männer designt werden. Kochen ist emotional, sinnlich, weich, impulsiv, intensiv – ein Spielfeld für alle Menschen, Geschlechter, Emotionen.
Zora: Ich würde gar nicht sagen, dass es sich um eine Männerdomäne handelt, aber der Job wirkt doch auf viele abschreckend: die Arbeitszeiten sind familienunfreundlich, die Arbeit ist körperlich anstrengend und der Ton ist oftmals noch sehr rau. All diese Faktoren führen leider dazu, dass ein Gastrojob als männlich angesehen wird. Ich denke aber, dass Frauen das genauso gut können und unbedingt frischen Wind in die Branche bringen müssen.
Ihr seid mittlerweile eure eigenen Chefinnen. Führen Frauen anders als Männer?
Meta: Ich sage es mal ganz frech: Der Ton in weiblich geführten Küchen ist oft etwas eleganter. Aber letztendlich steht und fällt die Art der Führung natürlich stärker mit der Person als mit ihrem Geschlecht. Jeder Führungsstil hat seine Vor- und Nachteile. Das Wichtigste ist, dass ich als Führungskraft eine Mitte finde. Es gibt auch eine Welt zwischen Zuckerbrot und Peitsche.
Zora: Frauen werden häufig als „weich und einfühlsam“ dargestellt und als könnten sie deswegen nicht durchgreifen – diese Ansicht geht für mich allerdings schon fast in eine frauenfeindliche Richtung und ist nicht mehr wirklich zeitgemäß.
Hand aufs Herz: Kann man als Frau in der Gastronomie nur mit Ellbogen Karriere machen?
Zora: Nein.
Meta: Statt auf den Ellbogen kommt es auf Sichtbarkeit an. Wir Mädels müssen laut sein, uns zeigen, Gas geben – all das, was die Jungs ganz oben auch tun. Nur noch lauter. Und wir müssen unser Wissen nutzen. Es klingt abgedroschen, aber: Wissen ist Macht. Wer über das richtige Wissen um Rezepte, Abläufe, Einkauf verfügt, wird im Betrieb immer Anlaufstelle Nummer eins sein – egal, ob Mann oder Frau. Dafür ist es natürlich wichtig, immer lernen und neue Erfahrungen machen zu wollen.
Antje: Wenn man sein Umfeld aktiv gestaltet, kann man auch auf seine eigene Art Karriere machen – die Gastro ist bunt und voller Möglichkeiten. Dass der Weg als Frau manchmal härter ist, glaube ich schon – dass wir Frauen beharrlicher und resilienter sind, aber auch.
Was bedeutet Erfolg für dich?
Antje: Wenn bunte Teams selbstbewusst zusammenarbeiten, in einen Flow kommen und Gästebegegnungen gestalten, die alle bereichern – wenn Food Magic entsteht – das ist Erfolg!
Zora: Erfolg ist für mich eine Mischung aus etwas, was man sehr gerne macht und sich dadurch seinen Lebensunterhalt sichern kann. In meinem Fall liebe ich jeden einzelnen Arbeitstag, freue mich unglaublich, dass ich einen schönen Arbeitsplatz für andere kreiert habe und auch noch gut davon leben kann.
Die Branche leidet unter enormem Personalmangel, viele Frauen kommen zudem nach der Elternzeit nicht wieder. Was muss sich in der Gastro ändern, damit sie hinsichtlich eines ausgewogenen Familienlebens attraktiver wird?
Antje: Wir müssen unsere Prozesse smarter denken und planen. Produktion und Schicken entkoppeln. Tätigkeiten schlau bündeln, sinnfreie und zu mühsame Tätigkeiten eliminieren.
Zora: Die Dienstpläne müssen einfach geschickter geplant und die Vergütung dementsprechend angepasst werden. Es kann nicht sein, dass man als ausgelernte Fachkraft 1.500€ Brutto verdient und man dafür weder seine Freunde sehen noch seine Familie versorgen kann. Fairere Bezahlung und attraktivere Arbeitszeiten wären schon mal ein Anfang.
Meta: Erstmal: Die Gastronomie ist ein herausforderndes Arbeitsumfeld – für Frauen und für Männer. Aber mit der Familiengründung tut sich eben eine zusätzliche Herausforderung auf, die halt immer noch eher Frauen betrifft. Es fehlt an Kinderbetreuungsangeboten in den Abend- und Nachtstunden. Unser System ist auf 8-17 Uhr ausgelegt. Kein Wunder, dass sich viele Frauen angesichts der Doppelbelastung und fehlender Angebote irgendwann aus der Branche verabschieden – ob sie wollen oder nicht. Da müssen wir ran. Auch ich habe mir nach 15 Jahren die Frage gestellt, ob ich bis zur Rente den Spagat zwischen Privatleben und Karriere in der Gastro meistern möchte. Die Antwort: Ja, aber nicht mit Restaurant. Heute bin ich glücklich mit meinen Kursen, Events und dem Shop. Als Branche können wir uns aber nicht darauf verlassen, dass sich jede schon ihren eigenen Weg sucht – oder dazu die Möglichkeiten hat.
Zora, mit deiner Schwester hast du die Weidenkantine eröffnet – mit Gastro-untypischen Öffnungszeiten. Inwiefern ist die Weidenkantine ein Beispiel für Female Entrepreneurship, bei dem Erfolg längst nicht mehr rein wirtschaftlich gemessen wird?
Zora: Uns war es einfach wichtig, einen Arbeitsplatz zu schaffen, in dem sich alle MitarbeiterInnen wohlfühlen und wissen, dass sie wertgeschätzt werden. Wir versuchen soweit wir können, immer auf die unterschiedlichen Bedürfnisse des Teams einzugehen und somit ein herzliches und freundliches Arbeitsumfeld zu kreieren. So haben wir gutgelaunte und motivierte MitarbeiterInnen und am Ende des Tages zufriedene – und vor allem wiederkehrende – Gäste. Wir haben das Geldverdienen nicht an erste Stelle gestellt, weil wir der Meinung sind, dass es einfach bei den Gästen ankommt, wenn du mit Leib und Seele dabei bist und das Café sich dann mit der Zeit auch automatisch finanziell trägt.
Welchen Karriereratschlag würdest du deinem jüngeren Ich mit auf den Weg geben?
Meta: Hole dir links und rechts Inspirationen, aber sei dir immer bewusst, wofür du eigentlich stehst und wohin du willst. Und wenn du das weißt: Gehe immer fokussiert geradeaus – der Weg führt dann nach oben.
Zora: Mach dich nicht so klein! Die Branche leidet unter enormem Personalmangel und kann es sich nicht leisten, die Hälfte der potenziellen Arbeitskräfte zu vergraulen.
Antje: Never hold back! Dare to play big! Play together! Go for it!