Eine kleine Fasskunde
Ohne Fässer stünde die Weinwelt ganz schön auf dem Schlauch. Denn egal ob großes Holzfass oder kleines Barrique: Das vielleicht älteste Mehrwegsystem Europas bringt ein Feuerwerk an Aromen.
Bis der Mensch den Weinbau erfand, stand er schnell vor einem Problem: Wie kommt der Wein von A nach B? Und wie bleibt er haltbar? Amphoren und Lederschläuche waren gut – in Sachen Transport und Stabilität aber so sicher wie eine WhatsApp-Unterhaltung. Die Vorgänger der Franzosen, die Gallier, machten es besser und setzten Maßstäbe – bis heute. Asterix’ Zeitgenossen wussten, wie man Holzbretter zu Dauben biegen kann und wie man Eisenringe schmiedet. Dauben, Eisenringe und zwei Deckel, fertig ist das Fass! Barils (so der französische Name) stellten sich als unfassbar gute Erfindung heraus. Man kann sie rollen, stapeln und vor allem: wiederverwenden. Nebenbei wurde also auch noch das Mehrwegsystem erfunden. Der praktische Nutzen war enorm, aber was war mit dem Geschmack? Der spielte lange Zeit kaum eine Rolle, denn der oft saure Wein wurde sowieso gewürzt. Dann kamen die Engländer ins Spiel. Weil diese sich im späten Mittelalter im Bordelais festgesetzt hatten, kamen sie auf den Geschmack der Bordeaux-Weine. Der Transport in Fässern von der Garonne übers Meer an die Themse tat dem Rotwein gut. Den gleichen Effekt stellten Bremer Kaufleute fest, als sie ihren aus Frankreich herbeigeschifften Rotspon probierten. Pas mal! Nicht übel.
Steter Stoffwechsel
Was aber passiert in einem Fass? Zunächst einmal ist es nicht zu 100 Prozent dicht. Somit verdunstet etwas vom Inhalt – Anteil der Engel genannt. Gleichzeitig dringt Sauerstoff ins Gebinde. Das bedeutet Alterung, schöner gesagt: Reifung. Zusätzlich gibt das Holz (meist Eiche, Kastanie oder Robinie) etwas von seinem Geschmack ab. Fässer, die zudem getoastet werden, geben auch Rauch- und Vanille-Aromen ab. Auch Gerbstoffe (Tannine) gelangen aus dem frischen Holz in den Rebensaft; mit dem Effekt, dass sich die Farbstoffe stabilisieren. Ohne Gerbstoffe würde Rotwein verblassen. Bleibt der Rebensaft aber zu lange in der Erstbelegung, machen die Gerbstoffe den Wein bitter. Des Kellermeisters Fingerspitzengefühl ist also angesagt. Einen weiteren – nicht immer gewollten – Nebeneffekt bewirkt der Hefepilz Brettano-myces. Der Wein bekommt eine Note von Pferdeschweiß. In manchen Gegenden wie der Ardèche ist das gewollt. Der Genießer sagt: „Ein bisschen Brett ist nett.“
Mischen possible
Nach der dritten Belegung sind Fässer ausgelaugt und an Aroma ist kaum mehr etwas herauszuholen. Dennoch sind sie nach wie vor zu gebrauchen. Findige Winzer changieren ihre Fässer, machen einen Teil des Weins zur Erstbelegung und füllen einen weiteren Teil in ein Fass, das ein oder zwei Jahre alt ist usw. Die Weine werden dann cuvéetiert, also gemischt. Der Vorteil ist, dass die verschieden ausgebauten Weine unterschiedlich im Aroma sein können. Der eine ist mollig, der andere schlank und fruchtig. Kommen solche Weinstile zusammen, kann das im Ergebnis großartig werden. Das Ganze ist eben mehr als nur die Summe seiner Teile. Winzer aus dem Burgund oder Bordelais haben ihr Wissen und ihre Erfahrung längst gemacht, die deutschen Kollegen sind mittlerweile auch gut dabei. Einer, der’s kann: Heinrich Vollmer aus der Pfalz, der seine Rotweine in Hunderten Barriquefässern lagert. Das ist nicht nur aufwendig, sondern auch teuer. Wer einen 50.000-Liter-Edelstahltank in 225-Liter-Fässer (das ist die Norm fürs Barrique) umfüllt, braucht für 222 Fässer eine Menge Holz … Mittlerweile hat sich ein richtiger Kult ums Fass entwickelt. Nicht nur Wein, auch Whisky, Gin, Rum, Weinbrand, Tequila, Wodka und Bier reifen in Fässern. In Europa muss ein Whisky mindestens drei Jahre im Holzfass reifen, erst dann darf er als Whisky verkauft werden. Ein Añejo Tequila muss mindestens ein Jahr im Fass reifen. Das spanische Solera-Verfahren gibt vor, dass aus einer Reihe von Fässern immer 30 Prozent aus dem ältesten Fass kommen und somit das Alter des Rums angeben. Französischer Cognac muss für das Qualitätssiegel „VS“ mindestens zwei, für das Siegel „XO“ mindestens sechs Jahre reifen.
Vielfältige Einsatzmöglichkeiten
Zudem hat sich ein reger Kreislauf von Fässern entwickelt. So werden gebrauchte Sherry- oder Weinfässer für Whiskys benutzt oder auch mal ein Kirschwasser in Kirschholz eingelagert. Das leere Fass wird beispielsweise wieder mit Spätburgunder-Essig aufgefüllt, der dann im Zuge der Verdunstung zu Aceto Balsamico eindickt. Geschmacklich ist das immer ein Gewinn und beim Kunden eine Geschichte, die zieht. Und statt ein altes Fass zu verfeuern, wird es restauriert und kommt als Blickfang in den Hof, wird zum rustikalen Kleinappartement („Schlafen im Holzfass“) umgebaut oder man nimmt die mit Wein getränkten Dauben, um Eis zu aromatisieren. Wenn es das Fass nicht gäbe ... man müsste es erfinden.
Gut Holz
Als bestes Holz für Fässer gilt Eiche. Amerikanische Eiche, Stieleiche und Traubeneiche haben langfasriges Holz, das feine Aromen abgibt und gut zu bearbeiten ist. Jedes Fass wird getoastet. Ursprünglich wurde diese Methode angewandt, um die Spannung aus den gebogenen Dauben herauszuholen. Französische Winzer stellten fest, dass durch den Kontakt mit dem Feuer das Holz neue Aromen bekommt – ähnlich wie beim Toasten von Weißbrot. Robinien (eine Akazien-Art) und Kastanien sind als Fassholz im Vergleich zur Eiche kaum der Rede wert. Kirschholz ist kurzfasrig und schwerer zu bearbeiten, dennoch es gerne für Destillate gewählt.