The story behind food
Warum Amsterdam viel mehr zu bieten hat als Grachten und Gras
Amsterdam ist mehr als nur eine Reise wert. Zumindest für Gastronomen. Denn Hollands Hauptstadt ist nicht nur schön anzuschauen, sondern auch ein Hot Spot für kulinarische Trends. Wer die nachhaltigsten Landwirte und die spannendsten Foodies treffen will, ist hier genau richtig.
Denn in der Stadt der Grachten, zwischen Nordsee und Markermeer, geht es für die Holländer um nichts weniger als die Zukunft unserer Erde. Jeder hier weiß: es gibt keinen Planet B. Vielleicht ist das einfacher zu verstehen, wenn man Holländer ist. Wenn das Meer höher liegt als das Land und der Klimawandel keine Bedrohung für andere, sondern für einen selbst ist.
"Wir zeigen den Menschen hier, was hinter dem Essen steckt: the Story behind Food", sagt Tourguide Hans Steenbergen, der mit dieser Idee die diesjährige CHEFS Trend Tour für CHEFS CULINAR organisiert hat. Teilnehmer waren Spitzenvertreter und Multiplikatoren der deutschen Hotellerie und Gastronomie, die von Key Account-Leiter Matthias Rilling bei ihrer Reise nach Holland begleitet wurden.
Die Hauptstadt der Nachhaltigkeit
Europas heimliche Hauptstadt für nachhaltige kulinarische Konzepte hat für Gastronomen viel Anschauungsmaterial und viele spannende Praxisbeispiele zu bieten, weiß Trendforscher Steenbergen, der seine Expertise nicht nur für CHEFS CULINAR, sondern auch für die großen Think Tanks von Google in den USA einbringt. "Ernährung ist für unsere Gesellschaft so wichtig, dass es unabdingbar ist, auch über den Tellerrand hinauszublicken", sagt Steenbergen. Im Mittelpunkt stehen für ihn daher wichtige Fragen: Wo kommt unser Essen her? Wie wird es erzeugt? Was bedeutet unsere Art der Ernährung für die Artenvielfalt und die Landwirte?
Eine der ersten Erkenntnisse der Trend-Tour: Rund um Amsterdam hat auch bei den Köchen ein Umdenken eingesetzt. Man macht sich Gedanken über tasted und wasted Food und realisiert, dass die Verantwortung eines Küchenchefs eben weit darüber hinausreicht, einen schönen Teller zu haben. Diese Einstellung wiederum mündet in einem neuen niederländischen Küchenstil: puristisch, klar, sensibel und sehr rein.
Im Restaurant "de Kas" geht man noch einen Schritt weiter und setzt auf kurze Wege vom Beet zum Teller. Sternekoch Gert Jan Hagemann hat die fast 100 Jahre alten Gewächshäuser des städtischen Kindergartens 2001 vor dem Abriss gerettet. Seine Idee: Anbauen, was man braucht. Und verwerten, was gerade reif ist. Daher gibt es ein Menü statt einer großen Speisekarte und eine stetig wachsende Fanbase, die vor allem eines überzeugt: Dass es immer mehr Köche mit Herz und Hirn gibt – und nicht nur mit Ego.
Start-Up-Center für Foodies
Wer wissen will, was und wie wir morgen essen werden, besucht in Amsterdam die Kitchen Republic. Ein Start-Up-Labor für Foodies. Statt W-Lan und Schreibtisch gibt es hier Schockfroster, Verpackungslinien und Konvektomaten für Gründer. Dazu Unterstützung in Sachen Marketing, Design und Kommunikation.
Kleine Makel, große Wirkung
Restlos glücklich isst man im Osten Amsterdams. In Oostenburg beweist das Restaurant "Instock", dass kleine Fehler für große Könner kein Problem sind. Krumme Gurken treffen hier auf kreative Köche. Food mit Fehlern wird zum Genuss ohne Reue. Dieses Konzept ist so erfolgreich, das seit der Gründung von "Instock" schon mehr als 700.000 kg Lebensmittel vor der Vernichtung gerettet wurden. Die nächste Idee der Food-Waste-Minimierer: Aus altem Brot frisches Bier brauen und so Schluck für Schluck der Umwelt helfen.
Dass Experten wie Google-Berater Hans Steenbergen oder sein Kollege Arjan de Boer der "Instock"-Idee sowie dem Thema Food Waste besondere Aufmerksamkeit schenken, ist kein Wunder. Schließlich müssen große Hotels in Deutschland mitunter mehr als 80.000 Euro monatlich für Food Waste einkalkulieren.
Die Bedeutung der Hörner
Eine gute halbe Stunde südöstlich von Amsterdam liegt Barneveld. Hier entsteht einer der besten Käse Hollands und das nicht zuletzt deshalb, weil man der Natur ihren Lauf lässt. Familie Van der Voort legt größten Wert auf einen gesunden Boden und lässt die Kühe ihre Hörner tragen. Dadurch geben die Tiere eine mineralstoffreichere Milch, aus der sich ein außergewöhnlich guter Käse machen lässt. Der schmeckt übrigens auch, wenn man gerade nicht von Kühen umgeben ist …
Die Botschaft der 2019er Trend-Tour ist für die Teilnehmer wie für Hans Steenbergen und Arjan de Boer völlig klar: "Es geht darum, dass wir wirklich anfangen, unseren Horizont zu erweitern. Dass wir die Zusammenhänge zwischen Plate und Planet, zwischen Essen und biologischer Vielfalt sowie zwischen Ernährung und eigener Gesundheit besser verstehen." Denn Verantwortung trage man als Küchenchef wie als Unternehmer eben nicht nur für den gastronomischen Alltag – sondern ein Stück weit auch für den gesamten Planeten.