In Sachen Umweltschutz ist Müllvermeidung sicher der Königsweg. Zu allem anderen wird eifrig diskutiert, investiert und ausprobiert. Unser Autor erklärt, was mit dem novellierten Verpackungsgesetz auf die Branche zukommt – und warum es gutes und böses Plastik gibt.
Es soll nichts weniger sein als das Mission-to-moon-Projekt Europas: der Green Deal, den EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen 2020 erstmals vorstellte. Das Ziel dieser Initiative ist ein komplett klimaneutraler europäischer Kontinent bis 2050. Erste Auswirkungen dieser Initiative spüren wir bereits, zuletzt durch das endgültige Verbot von Einwegartikeln aus Plastik zum 3. Juli 2021; nur Lagerbestände dürfen noch aufgebraucht werden. Trinkhalme und Rührstäbchen, Teller und Pommes-Piekser: All das muss künftig aus Karton, Papier, Holz oder Bagasse sein – aber nach Möglichkeit nicht mit Kunststoff beschichtet. Denn das führe etwa beim Sortieren immer wieder zu Problemen, sagt Anna Ephan vom Entsorgungs-Konzern Remondis. Fettresistentes oder wasserdichtes Papier mit bestimmten Beschichtungen – das für manche Verwendungszwecke jedoch zwingend notwendig ist – sei mit herkömmlicher Technik oftmals kaum zu recyceln. „Immer mehr Altpapierchargen werden nicht mehr angenommen, weil der Störstoffanteil zu hoch ist“, bestätigt Ephan. Nicht unproblematisch sei auch die Situation bei grundsätzlich kompostierbaren Bio-Kunststoffen, die in Kompostierungsanlagen mitunter zu Problemen führen weil sie sich zu langsam zersetzen und daher zumindest noch nicht in die Bio-Tonne sollten.
Verwirrend? Ja. Remondis und Co. wünschen sich daher ein Label für die Umweltfreundlichkeit von Produkten und Verpackungen, mit dem man langfristig auch Einfluss auf die Gestaltung nehmen könne. Damit sollen Verbraucher wie bei der Energieeffizienz erkennen, was gut für die Umwelt ist – und was schlecht. Für den Take-away-Bereich würde das bedeuten: Mehrweg-Systeme als Königsweg, leicht recycelbare Lösungen (keine Verbundstoffe) als Plan B und lediglich energetisch Verwertbares als Worst Case.
Energetische Verwertung oder Müllverbrennung: Das ist es, was in Deutschland mit Restmüll passiert, der in der schwarzen Tonne gesammelt wird. Dabei aber gehen viele Wertstoffe verloren, die fälschlicherweise im Restmüll landen. „Die Recycling-Quote in Deutschland liegt bei 40 bis 50 Prozent“, sagt Ephan. Im internationalen Vergleich sei das gut, Umweltverbände wie der Nabu aber machen sich für Wertstofftonnen stark, die das System der gelben Säcke ersetzen würden. Eine Wertstofftonne für jede Form von Metall, für Kunst- und Verbundstoffe – dadurch würde mehr gesammelt und recycelt werden, meint der Nabu. Jährliche CO2-Einsparung dadurch: rund 700 000 Tonnen, das entspricht dem Klimagasausstoß von etwa 350 000 Fahrzeugen.
Die Gastro als Vorbild
In der Gastro wird das Thema Mülltrennung seit Jahren gelebt. Davon leben spezielle Entsorger wie etwa Refood, die mit 21 Niederlassungen und rund 1000 Mitarbeitern im großen Stil Lebensmittelreste entsorgen. Aus rund 500 000 Tonnen Biomüll macht die Firma Strom und Wärme für etwa 45 000 Haushalte. Was in Küchen in den Biomüll fliegt, wird bei Refood gesiebt, gequetscht, mit Wasser vermengt und dann durch Zentrifugen gejagt. „Je schwerer und größer ein Störstoff ist, desto besser für uns“, erklärt eine Sprecherin. Metall, Keramik und Plastik ließen sich so gut aussortieren, ehe der nasse Biomüll im weiteren Verlauf in eine der fünf firmeneigenen Biogasanlagen gepumpt wird. Dort vergärt der Abfall, es entsteht Methan, das wiederum wird in Blockheizkraftwerken genutzt. Übrig bleibt organischer Dünger.
Es wird nicht billiger
Bei Remondis setzt man derweil auf Infrarot-Technik, Elektromagnete, Luftabscheider und diverse technische Verfahren, um sortenreine Abfallfraktionen zu erhalten. „Plastik ist nicht gleich Plastik“, sagt Anna Ephan dazu. PET-Flaschen etwa seien sehr gut recycelbar und aus Umweltsicht viel besser als ihr Ruf. PET-Granulat aus alten Flaschen wird sogar noch nach Farben sortiert und ist ein gefragter Rohstoff, da immer mehr Unternehmen Recycling-Materialien einsetzen. Für Anna Ephan steht daher fest: In noch fortschrittlichere Recycling-Techniken wird in den nächsten Jahren investiert. Über den europäischen Green Deal sollen dafür auch Fördermittel fließen. Dennoch ist klar: Wer Müll produziert, wird auch in Zukunft dafür zahlen. Und es wird sicher nicht billiger, sondern eher teurer.
Neue Auflagen
Ein Aspekt in diesem Zusammenhang ist das Verpackungsgesetz, das vor allem eines regelt: Wer Verpackungen in Umlauf bringt, muss zahlen. Winzer zahlen für ihre Flaschen, Online-Händler für ihre Kartons. Seit dem 3. Juli läuft auch für die Gastronomie ein Countdown, vor allem mit Blick auf (die bisher vom VerpackG ausgenommenen) Serviceverpackungen, die im Außer-Haus-Geschäft unumgänglich sind. Wer etwa Pizzakartons oder auch nur Brottüten nutzt, muss sich spätestens zum 1. Juli 2022 bei einem Dualen System anmelden und dann jährlich mitteilen, welche und wieviele Verpackungen in Verkehr gebracht werden. Tut man das nicht, riskiert man am Ende hohe Geldstrafen in Höhe von bis zu 200 000 Euro.