Gut verpflegt auf hoher See
HMS kümmert sich von Hamburg aus um die Verpflegung von zigtausend Seeleuten – gleichzeitig und in der ganzen Welt.
René Heim ist Geschäftsführer von HMS, einer Schwestergesellschaft von CHEFS CULINAR und kümmert sich mit seiner kleinen Mannschaft um fast 1000 Schiffe und das leibliche Wohl von rund 20 000 Seeleuten. Im Schnitt legt jede Stunde ein Schiff dieser Flotte irgendwo in der Welt an – und wird schon erwartet. Denn Liegezeiten sind teuer. Ein oder zwei Tage zum Löschen der Ladung, dann muss es schon wieder weiter. Vorher aber muss der Proviant an Bord. Aber nicht irgendeiner, sondern genau der, den der Kapitän beziehungsweise die Reederei vorgibt.
Die Uhr läuft immer mit
Das alles wird bei HMS in Hamburg koordiniert, einem der fünf Weltmarktführer in diesem Geschäft. Um wirklich in so ziemlich jedem Hafen auf der Welt helfen zu können, arbeitet HMS mit rund 500 lokalen Partnern zusammen. Das ist notwendig, weil die Vorgaben der Reeder sehr eindeutig sind. „Das Budget zum Beispiel: Das ist ganz klar vorgegeben und es ist unsere Aufgabe, es einzuhalten“, sagt Christian Smith, den es vor Ewigkeiten von Manchester nach Hamburg verschlagen hat und der jetzt im Außendienst von HMS dafür sorgt, dass Besatzungen auch dann verpflegt werden, wenn es auf Reede stürmt und kleine Versorgerschiffe kaum noch auslaufen können. „Wir finden immer einen Weg“, sagt er und denkt dabei sicher auch an die TR Lady, die vor dem australischen Newscastle einmal aus der Luft heraus versorgt werden musste. Per Helikopter …
Glücklicherweise ist das die absolute Ausnahme, nicht die Regel, denn sonst würde man mit einem Wareneinsatz von 8,50 bis 14 Euro je Crewmitglied und Tag gar nicht hinkommen. Dass das überhaupt geht, liegt an der Expertise und der weltweiten Vernetzung von HMS. „Jeder Hafen auf der Welt hat ein anderes Preisgefüge“, erklärt René Heim. „Für die Schiffsausrüster heißt das: In günstigen Häfen werden die Vorräte maximal aufgefüllt, andernorts eher ergänzt. Dafür muss man wissen, Moderne Containerschiffe, Tanker und auch Bulker (Massengutfrachter) verfügen über professionelle Bordküchen sowie über große Kühlräume und genug Stauraum für Trockenware. 100 Kubikmeter Trockenlager sind keine Seltenheit, übliche Kühlräume sind schnell fünf mal fünf Meter groß. Genug Platz für ein paar Zentner Reis, für frisches Gemüse, ein bisschen Obst für die ersten Tage und viel gefrorenes Fleisch: Hungern soll an Bord keiner.
Hunger auf Meer
Im Gegenteil, viele Seeleute zeichnen sich durch einen gesegneten Appetit aus. Auch wenn die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation für Fisch und Fleisch bei etwa 700 Gramm die Woche liegen – auf gar nicht mal so wenigen Schiffen ist das die Tagesration, weiß auch Anna Glienke, die sich als Ökotrophologin im HMS-Team manchmal wie Don Quichote vorkommen muss. Aber sie weiß ja, warum das mit der großen Fleischeslust so ist – man muss sich nur vergegenwärtigen, wie die Crews zusammengesetzt sind. Ganz unterschiedlich kulturelle Prägungen treffen auf See aufeinander. Und während in Europa oder Nordamerika Veganismus ein Trend ist, sieht es in Südostasien oder China ganz anders aus. Wer in einer Welt aufwächst, in der Fleisch nicht im Überfluss vorhanden ist, genießt es vielleicht umso mehr, wenn man jeden Tag Rindfleisch oder Huhn bestellen kann. Und doch, bei HMS bemüht man sich seit Jahren darum, nicht nur die Vorratsräume aufzufüllen, sondern auch die Köche an Bord weiterzubilden. Galley Support nennt sich dieses Geschäftsfeld und was nach Weiterbildung für Profiköche klingt, hat manchmal auch viel mit Grundlagenarbeit zu tun. Denn an Bord haben die allerwenigsten Köche eine zwei- oder dreijährige Ausbildung absolviert. Wie der Herd funktioniert, was in den Wok muss und dass die Crew Eier zum Frühstück verlangt. Alles easy, keine Frage. Aber dann geht‘ s auch schon los. HACCP? First-in-first-out-Grundsätze? Die Feinheiten des Kombidämpfers? Hhmmm …
Nachhaltiger Schippern
HMS setzt aus gutem Grund auf nachhaltige Weiterbildung – denn Galley-Support-Spezialist Martin Selchow weiß: „Ein weniger qualifizierter Koch kann die Kosten der Verpflegung in die Höhe schnellen lassen.“ HMS-Geschäftsführer René Heim weiß das natürlich auch, formuliert aber diplomatischer: „Je besser der Koch, desto mehr macht er mit und aus dem vorhandenen Proviant und das hebt die Stimmung an Bord.“ Selchow: „Wir sehen uns daher als Partner der Köche, des Kapitäns und der Reeder.“ Im persönlichen Gespräch, mit griffbereitem Wissen und im Rahmen von praxisorientierten Schiffsbesuchen weltweit qualifizieren die Galley-Support-Manager Einzelköche wie Küchencrews. Und dabei geht es längst nicht nur um finanzielle Aspekte oder Geschmack, sondern immer häufiger auch um Nachhaltigkeit.
Eine Frage der Koordination
Thema: Wasser. Über Jahrzehnte haben Seeleute ihren Durst aus Flaschen gestillt. Moderne Filteranlagen können längst richtig gutes Trinkwasser produzieren. Aufbereitet mit Mineralstoffen, perfekt temperiert, mit oder ohne Kohlensäure – und doch laden viele Schiffe noch immer palettenweise Flaschenwasser. Gemeinsam mit vor allem norwegischen und deutschen Reedern setzt sich HMS in diesem Bereich für ein Umdenken ein. Weniger Verpackungsmüll, mehr Umweltschutz: Dafür kann man Seeleute begeistern, aber die Angelegenheit ist nicht so trivial, wie es klingt. „Das hat auch schon etwas mit dem Background der Menschen zu tun“, sagt René Heim. „Wir leisten Aufklärungsarbeit und erläutern, welchen Einfluss es hat, wenn man statt des Flaschenwassers eben auf Wasser aus den Filteranlagen setzt.“
Und Sonderwünsche? Da gibt es an Bord einige. Gerade Marken sind gefragt. Nutella etwa steht höher im Kurs als ein No-Name-Produkt. Und dazu muss man immer bedenken: Ein Schiff kann nicht irgendwo anhalten und schnell noch was einkaufen. Was vergessen worden ist, das fehlt dann bis zur Ankunft im Bestimmungshafen.
Alles Geschmackssache
Noch eine Herausforderung: Anders als in der Betriebsverpflegung an Land gibt es auf Schiffen nur sehr selten Speisepläne, die über Wochen im Voraus feststehen. Stattdessen reagiert der Koch auf die Wünsche der Crew. Und klar: Inder haben einen anderen Geschmack als Ukrainer, Chinesen essen anders als Kroaten und für Moslems wird selbstverständlich halal gekocht. „Ich glaube: Diese unendliche Vielfalt macht unseren Job aus“, sagt Abteilungsleiterin Valeska Schödl, die das Provision Supply Management verantwortet. „Langweilig wird uns nie!“ Recht hat sie. Zumal sich das Team von HMS natürlich nicht nur um Tanker und Frachter kümmert, sondern auch um die Versorgung von Kreuzfahrtschiffen. Deren Bedürfnisse aber wären eine Geschichte für sich …