Algen:
Rohstoff der Gegenwart – Fleischalternative der Zukunft?
Was haben Pilze, Insekten und Algen gemeinsam? Alle drei könnten das Fleisch der Zukunft sein. Die Wissenschaft ist seit Jahrzehnten dabei, Fleischalternativen zu erforschen. Makroalgen werden dagegen bereits seit Jahrtausenden in vielen Teilen der Welt als Nahrungsmittel verwendet.
Unter anderem in Island, Großbritannien, Dänemark, Frankreich und vielen Ländern Asiens gehören Algen zur traditionellen Küche. Ob frisch, getrocknet oder eingelegt, in Seetang-Suppe oder als Würzmittel zu Fleisch – Algen sind dort Teil des täglichen Bedarfs. Sie werden sowohl aus Wildpopulationen geerntet als auch in Aquakulturen gezüchtet.
Keine Raumfahrt ohne die kleinen Lebewesen
Algen sorgen nicht nur für guten Geschmack, sie sind auch wichtig für unseren Planeten. Sie gehören zu den wichtigsten Sauerstofflieferanten überhaupt. Jedes zweite Sauerstoffmolekül in der Luft stammt aus der Photosynthese von Algen. Nicht ohne Grund führen Raumfahrer*innen auf der internationalen Raumstation ISS, in bekanntermaßen sauerstoffarmen Gefilden, kontinuierlich wissenschaftliche Tests mit winzigen Mikroalgen durch.
Grundsätzlich unterscheidet man zwischen Mikro- und Makroalgen: Erstere sind mikroskopisch klein und bestehen aus nur einer Zelle. Zweitere sind mehrzellige Algenarten und können bis zu 60 Meter lang werden.
Algen im Küchenalltag
Sie denken, Algen sind simple Gewächse? Weit gefehlt! Algen verfügen über eine höchst reichhaltige chemische Zusammensetzung und werden aufgrund ihrer enthaltenen bioaktiven Substanzen in vielen industriellen Bereichen eingesetzt.
Sie verfügen über eine gelierende, verdickende Eigenschaft. So lassen sich Produkte wie Agar-Agar, Alginat und Carrageen in vielen verarbeiteten Lebensmittel finden. Da sie nährstoffreich sind und gesundheitsfördernd wirken, werden sie in der Lebensmittelindustrie als Nahrungsergänzungsmittel eingesetzt. Da sie stabilisierend wirken, spielen Algen außerdem zunehmend eine Rolle in der Produktion fermentierter Lebensmittel.
Besser noch: Algen gewinnen zunehmend an Bedeutung als Fleischalternative. Die Aquakultur von Meeresalgen zählt zu den am schnellsten wachsenden Lebensmittel-Sektoren der Welt. Zwar finden 97 Prozent der weltweiten Algenproduktion noch in Asien statt. Doch der Westen holt auf. Unternehmen und Start-ups auf der ganzen Welt interessieren sich mit steigender Beliebtheit für den Rohstoff. Sowohl Makro- als auch Mikroalgen werden inzwischen in Europa gezüchtet.
Algen entgiften Ökosysteme
Algen zu produzieren, verschlingt viel Energie und ist damit nicht wirklich nachhaltig. Die Makroalgen-Zucht bietet dagegen ökologische Vorteile. In ufernahen Tangwäldern bieten sie einen Lebensraum für eine Vielzahl von Fischen und anderen Meeresbewohnern. Da sie im Meer und nicht an Land gedeihen, verbrauchen sie keinen wertvollen, fruchtbaren Boden und belasten kein Süßwasser. Außerdem tragen sie zum Prozess der Bioremediation bei: Makroalgen werden als Teil einer Polykultur eingesetzt, z. B. in Garnelen- oder Lachsfarmen. Die Algen nehmen die überschüssigen Nährstoffe der Tiere auf oder tragen zur Reinigung landwirtschaftlicher Abwässer bei, die mit überschüssigem Dünger belastet sind und ins Meer gespült werden – eine Win-Win-Situation.
Mittlerweile gibt es pflanzlichen Thunfisch aus Meeresalgen und Ackerbohnenprotein. Ein Algen-Burger aus der Niederlande weckt Aufmerksamkeit in Restaurants und wird ganz nebenbei in diversen Supermarkt-Ketten angeboten, als wäre es ein gewöhnliches Burger Patty aus Rindfleisch. Ein österreichisches Start-up bietet dagegen pflanzlichen Lachs aus Algenextrakten an – sieht aus wie Lachs und soll auch so schmecken. Die Zukunft der Fleisch- und Fischalternativen aus Meeresalgen scheint zum Greifen nahe.