In Brühe als Suppeneinlage, mit gebratenen Zwiebeln und Kartoffelsalat oder in Streifen geschnitten und geröstet – Maultaschen schmecken immer lecker. Der mit Brät, Spinat, Zwiebeln und eingeweichten Brötchen gefüllte Nudelteig hat sich längst vom Arme-Leute-Essen zum schwäbischen Nationalgericht gemausert. Er erinnert allerdings schon etwas an italienische Ravioli. Haben die Schwaben vielleicht nur dieses Nudelgericht kopiert, vergrößert und die Zutaten etwas variiert?
Die Legende vom Herrgottsb‘scheißerle
Um die Erfindung der Maultasche ranken sich noch weitere Legenden. Am häufigsten wird die von den Zisterziensermönchen des Klosters Maulbronn erzählt: In den Hungerjahren des 30-jährigen Krieges im 17. Jahrhundert sammelte der Bruder Jakob Reisig. Ein flüchtender Dieb lief ihm über den Weg und ließ seine Beute quasi vor den Füßen des Bruders fallen.
Der Inhalt des Bündels: ein saftiges Stück Fleisch. Weil Fastenzeit war, durften die Mönche allerdings kein Fleisch essen. Jakob hätte den wertvollen Fund wegwerfen müssen, um Gott nicht zu erzürnen – aber er brachte es nicht übers Herz. Stattdessen überlegte er sich einen Trick: Er hackte das Fleisch klein und vermischte es mit reichlich Kräutern und Spinat aus dem Klostergarten. So war die grünliche Masse kaum noch als Fleisch zu erkennen.
Um aber wirklich ganz sicher zu gehen, dass der Herrgott nichts bemerkt, umhüllte er die Masse noch mit Nudelteig und teilte diesen in mehrere Portionen. Den Namen des so entstandenen Gerichts leiteten die Mönche aus der Bezeichnung „Maulbronner Teigtasche“ ab.
Wegen dieser Geschichte werden Maultaschen in Schwaben übrigens auch heute noch gerne als „Herrgottsb’scheißerle“ bezeichnet. Aber so viel Mühe sich Jakob auch gegeben hat – Gott sieht bekanntlich alles. Zum Glück scheint er damals ein Auge zugedrückt zu haben, sonst kämen wir heute nicht in den Genuss der leckeren Teigtaschen.
Das Leibgericht einer leidgeprüften Gräfin
Es sei denn, jemand anders hat sie entdeckt. Zum Beispiel Margarete von Tirol. Die Tochter des Tiroler Grafen und Kärntner Herzogs Heinrich wurde 1330 – im Alter von gerade 12 Jahren – mit dem böhmischen Königssohn Johann Heinrich verheiratet. Beide konnten einander nicht leiden. Johann war ein Frauenheld und schikanierte seine Frau so sehr, dass sie ihn 1341 mit Hilfe ihrer Räte vor die Burgmauern setzte. Margarete heiratete ein zweites Mal – allerdings wurde diese Ehe von der Kirche nicht anerkannt. Die Gräfin und ihr Mann wurden mit einem Bann belegt. Aber erst, als ihr Mann und auch ihr Sohn gestorben waren, verließ Margarete Tirol und verbrachte ihre letzten Jahre in Wien. Ihre Leibspeise, „gefüllte Teigtaschen“, soll sie aus Tirol mitgebracht haben.
Im 14. Jahrhundert hatte eine Frau, die sich mit einer unglücklichen Ehe und einem rücksichtslosen Ehemann nicht abfinden wollte, natürlich schlechte Karten. Und so gaben böse Zungen Margarete den Beinamen „Maultasch“, was so viel wie „Hure“ bedeutet. Hinzu kam irgendwann das Gerücht, Margarete sei sehr hässlich gewesen und habe einen missgestalteten Mund gehabt – historisch ist das allerdings nicht belegt; das Gegenteil soll der Fall gewesen sein.
Vom Arme-Leute-Essen zur schwäbischen Spezialität
Dass das heutige schwäbische Gericht so zu seinem Namen gekommen ist, lässt sich ebenfalls nicht beweisen. Urkundlich erwähnt wurden die Maultaschen erstmals 1831 als „gefüllte Nudel aus Schwaben“. Auch die Gebrüder Grimm bezeichneten das Gericht so in ihrem Standardwerk von 1885. Erste schriftliche Rezepte für die Zubereitung von Maultaschen sind in Schwaben aus den Jahren 1844 und 1905 überliefert.
Sicher ist, dass Maultaschen früher ein Arme-Leute-Essen waren. In die Teigtasche ließen sich prima alle Küchenreste der letzten Tage füllen – übrig gebliebenes Fleisch, hart gewordenes Brot oder altes Gemüse. So musste nichts weggeworfen werden. Kein Wunder, dass es heute so viele Rezept-Varianten gibt. Maultaschen werden mittlerweile sogar mit ganz erlesenen Zutaten wie Wachtelfleisch oder Kalbsbries gefüllt.
Vorbei ist auch die Zeit, in der man Maultaschen vor allem in der Fastenzeit gegessen hat. Die schwäbische Spezialität genießt man jetzt das ganze Jahr über – wann immer man Lust drauf hat.
Autor: Richard S. Beerbaum