Wenn man in Spanien Urlaub macht, gehört auch der Besuch einer Tapas-Bar unbedingt dazu. Man genießt die kleinen Appetithappen dort nach spanischer Tradition vor dem eigentlichen Abendessen: Sie bestehen aus nur einem Bissen. Dazu gibt es typischerweise ein oder auch zwei Gläschen Wein.
Tapas in allen Variationen
Die typische Tapas-Bar gibt es allerdings nicht. In Madrid werden Tapas mit großer Eleganz und Kaviar modern interpretiert, während man sie in Sevilla so ursprünglich wie vor 400 Jahren zelebriert. Besonders kunstvoll werden die Häppchen in San Sebastián drapiert: Foie gras und Steinpilze in Portweinsauce werden zwischen Kartoffelscheiben serviert. Bacon trifft auf gebackenen Käse, der mit Mangomus gereicht wird. Standardzutaten sind Oliven, Schinken, Salzmandeln, Wurst oder Meeresfrüchte.
Tapas zum geselligen Beisammensein
Tapas sind in Spanien ein Ausdruck von Lebensart und Geselligkeit. Es geht stets um die Gelegenheit, andere Menschen zu treffen. Man isst Tapas nicht, um satt zu werden! Hochbetrieb in den Tapas-Bars herrscht zwischen 19 und 22 Uhr – das sind die geselligsten Stunden. Anschließend gehen die Spanier traditionell zum eigentlichen Abendessen, sei es nach Hause oder ins Restaurant. Die typischen Rituale haben sich mit der Zeit aber verändert: Manch einer trinkt statt Wein ein Bier dazu oder bestellt sich die „ración“, eine größere Portion, und verzichtet anschließend aufs Abendessen.
Einfluss aus dem Orient
Woher die Tapas kommen, weiß niemand so genau. Angeblich sollen sie ihren Namen vom Brot haben, das man als Deckel auf ein Glas legte, damit keine Fliegen hineingelangten. Übersetzt heißt „tapa“ nämlich „Deckel“.
Möglich ist aber auch, dass die Appetithäppchen von einem arabischen Brauch stammen: Die „Mezze“ werden in arabischen Restaurants vor dem Hauptgericht als kleine Kostproben serviert. Immerhin findet man heute unter den Angeboten der Tapas-Bars häufig „Maurische Fleischspießchen“. Die Mauren waren von den Arabern missionierte und zum Islam konvertierte nordafrikanische Berberstämme, die von 711 bis 1492 weite Teile der Iberischen Halbinsel besetzt hielten.
Der Einfluss aus der Küche der Mauren, die für die spanische Küche den Grundstein legte, hat bis heute überlebt. Nicht nur Kreuzkümmel, Safran, Zimt und Muskatnuss kamen mit den Mauren nach Europa. Die Spanier lernten mit neuen Pflanzen aus dem Orient umzugehen: Zuckerrohr, Reis, Auberginen, Spinat, Artischocken, Spargel, Aprikosen, Baumwolle, Bananen, Orangen, Limonen, Zitronen und Dattelpalmen. Vorher kannten die Spanier nur ihre seit alters verwendeten Gemüse- und Getreidesorten sowie Oliven, Feigen und Weinreben.
Ein irdisches Paradies
Die maurisch-spanisch-islamische Hochkultur hielt sich über 700 Jahre. Um 980 war Córdoba die wohlhabendste Stadt Europas. Spanien wurde zur Heimat des feinen Lebensgenusses und reger wissenschaftlicher und künstlerischer Tätigkeit. Und Córdoba war der Inbegriff des irdischen Paradieses: Anfang des 11. Jahrhunderts sollen eine halbe Million Einwohner dort gelebt haben. Córdoba war eine für die damalige Zeit beeindruckende Stadt. Reisende berichteten von gepflasterten, nachts sogar beleuchteten Straßen, von Wohnhäusern mit fließendem Wasser und von Gläsern aus Kristall. Das maurische Spanien stieg zum reichsten und einwohnerstärksten Land Europas auf. Erst wenige Monate bevor Christoph Kolumbus Amerika entdeckte, wurden die letzten arabischen Stützpunkte in Europa zurückerobert. Die kulinarischen Traditionen blieben zum Glück erhalten.
Autor: Richard S. Beerbaum