Geschützte Mahlzeiten
Aktualisierung des DNQP Expertenstandards Ernährungsmanagement
Nach 7 Jahren erschien Anfang 2017 die 1. Aktualisierung für den "Expertenstandard Ernährungsmanagement zur Sicherung und Förderung der oralen Ernährung in der Pflege", herausgegeben vom DNQP. Wir stellen Ihnen die Neuerungen vor. Das Deutsche Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege rückt den Schutz der Mahlzeiten stärker in den Fokus.
Was ist der DNQP Expertenstandard Ernährungsmanagement?
Der Expertenstandard beschreibt den pflegerischen Beitrag zum Ernährungsmanagement und die Vernetzung mit der Küche bzw. Hauswirtschaft. Ziel ist es:
- eine bedürfnisorientierte und bedarfsgerechte Ernährung von kranken oder pflegebedürftigen Menschen zu sichern bzw. zu fördern,
- Mangelernährung zu verhindern bzw. bestehende Ernährungsdefizite aufzufangen.
Tätigkeitsfelder finden sich rund um die Unterstützung bei der Nahrungsaufnahme sowie bei der Gestaltung der Mahlzeit.
Was ist neu?
Es gibt zum ersten Mal Hinweise auf die Grenzen der oralen Ernährung. Der Alltag zeigt, nicht in jedem Fall ist es möglich, den hochbetagten bzw. stark eingeschränkten Menschen mit Speisen und Getränken ausreichend zu versorgen.
Ein Sachverhalt bekommt in der neuen Auflage sehr viel Aufmerksamkeit: das Thema der "Geschützten Essenszeiten". Ausschlaggebend dafür, ob der Bewohner tatsächlich die angeforderten Speisen und Getränke zu sich nimmt, sind letztlich die organisatorischen Rahmenbedingungen:
- Kann der Bewohner ungestört und mit der entsprechenden pflegerischen Unterstützung seine Mahlzeit einnehmen?
- Sind ausreichend Mitarbeiter für die Mahlzeiteneinnahme eingeplant?
- Hat jeder Bewohner ausreichend Zeit sein Essen einzunehmen?
- Werden Arbeitsroutinen auf die Zeiten außerhalb der Mahlzeiten verlagert?
- Können Pflegemitarbeiter an der Verpflegung teilnehmen (Therapeutisches Essen)?
Hier gilt es die Ablauforganisation der Arbeitsprozesse sowohl in der Pflege als auch in Küche und Hauswirtschaft aufeinander abzustimmen, sodass Personalengpässe während der Mahlzeit verhindert werden.
Trotz umfangreicher Auswertungen der aktuellen Literatur, hat es darüber hinaus keine Änderungen inhaltlicher Art der Standard-Empfehlungen gegeben. Formulierungen wurden teilweise anders gewählt um bestimmte Aspekte zu verdeutlichen. Heißt es in der 1. Auflage noch "Verpflegungskonzept", heißt es nun "Konzept zur Ernährungsversorgung".
Was war der Anlass zur Aktualisierung des Standards?
Im Folgenden zeigen wir verschiedene Perspektiven auf:
Aus Sicht der Pflegewissenschaft: Im hektischen Alltag können Pflegekräfte die Ernährung der Bewohner und Patienten häufig nicht so gut umsetzen, wie es richtig und wichtig wäre. Trotz aller Präsenz in den Medien, ist die Bedeutung von Essen und Trinken bzw. von Mangelernährung in den Einrichtungen noch nicht so klar, wie es das Thema eigentlich verlangt. "Ernährung" wird von den Pflegekräften häufig als Hilfstätigkeit gewertet. Sie verstehen es als ein reines Austeilen von Speisen und Getränken, nicht als Teil der Pflege. Oft kommt es erst dann zum Tragen, wenn der alte Mensch sein Essen nicht mehr alleine zum Munde führen kann. Eine systematische Erfassung der Risiken, hinsichtlich einer Mangelernährung der Bewohner, erfolgt selten. Begründet wurde das häufig mit "keine Zeit" oder "dem Mangel an qualifiziertem Pflegepersonal".
Aus Sicht des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK): Qualitätsprüfungen des MDK haben ergeben, dass immer dann, wenn die erforderlichen Maßnahmen zur Ernährung erbracht wurden, nur knapp 7 % der Bewohner einen relevanten Gewichtsverlust erleiden. Werden die notwendigen Maßnahmen nicht erbracht, magern über 40 % der Bewohner ab. Das sind deutliche Hinweise auf die Notwendigkeit einer gezielten Ernährungsversorgung im hohen Alter.
Ein weiterer Punkt fiel bei den Erhebungen auf: In den Häusern fehlt die notwendige Verknüpfung zwischen den Fachbereichen. Strukturell sind viele Einrichtungen der stationären Altenhilfe im Hinblick auf eine adäquate Ernährungsversorgung gut aufgestellt. Umfangreiche Ess-Biografien zu den Bewohnern werden zusammengestellt und liegen im Pflegebereich vor, einzig die Küche hat keinen Zugang zu diesen wertvollen Informationen. Ebenso bemängeln Pflegbedürftige ein abwechslungsreiches Speisenangebot, obwohl solch ein Angebot in der Küche vorhanden ist, es wird von den Pflegekräften jedoch nicht abgerufen.
Was hat sich aus der 1. Auflage bestätigt?
In der Auswertung der wissenschaftlichen Literatur hat sich bestätigt, wie wichtig eine systematische Erfassung der Anzeichen für Mangelernährung ist. Bedeutsame Fragen nach dem Verhalten der Bewohner hinsichtlich des Essens zeigen Ansatzpunkte, wie:
- Welche Verhaltensweisen werden beobachtet, die sich ungünstig auf die Ernährung auswirken können?
- Was genau verbirgt sich hinter dem (Ess-)Verhalten?
Bedürfnis vor Bedarf – die Selbstbestimmung bleibt bis zum Schluss erhalten, jeder Bewohner kann das essen was er möchte. Zu viel, zu wenig, zu ungesund, gar nichts mehr – jeder Zwang zum Essen ist tabu. Eine gute Beratung ist während der Begleitung jedoch wichtig.
Ein Konzept zur Ernährungsversorgung – früher Verpflegungskonzept – spielt nach wie vor eine wesentliche Rolle. Hier werden Ziele, Qualitäten, Rahmenbedingungen und Organisatorisches speziell für die Einrichtung zusammengefasst. Es dient als Leitfaden für die fachübergreifende Zusammenarbeit zwischen Küche, Hauswirtschaft und Pflege zur bestmöglichen Essensversorgung der Bewohner.
Fazit
Die Einrichtungen, die sich bereits intensiv mit dem Expertenstandard Ernährungsmanagement auseinander gesetzt und eine fachbereichsübergreifende Vorgehensweise implementiert haben, werden in dem bestätigt, was sie bereits tun. Alle anderen Einrichtungen sollten gemeinsam mit allen Fachbereichen anhand der Kriterien des Standards, die eigene Vorgehensweise kritisch reflektieren und entsprechend anpassen. Nur gemeinsam kann es eine optimierte Ernährungsversorgung für die Bewohner geben.
Iris Lindemann ist Beraterin mit Herz und Seele. Schon seit 25 Jahren gehört sie zur CHEFS CULINAR Akademie und kennt sich bestens im Gebiet der Ernährung für Senioren und der Organisation in Pflegeheimen aus. Darüber hinaus gibt sie ihr Wissen in den Bereichen Kita- und Schulverpflegung, Allergien, Intoleranzen und Allergenmanagement weiter.