Die Weidenkantine

KLIPP, KLIPP, Hurra!

Zwei Schwestern, eine kleine Karte, ein nur 60 Quadratmeter kleiner Laden und die Leute stehen Schlange: Die Weidenkantine läuft super. In die Immobilie hatten sich Zora und Ronja zuvor geradezu schockverliebt …
Zora und Ronja Klipp sind die spannendsten Gastro-Newcomer Hamburgs. Mit ihrer winzigen Weidenkantine stellen sie die Gesetze der Branche einfach auf den Kopf …

Es gibt bessere Tage als den 23. Oktober 2020, um mitten in Hamburg ein Café zu eröffnen. „Naja“, sagt Zora Klipp. „Zehn Tage vor dem zweiten Lockdown. Schon ein besonderes Timing – aber es war trotzdem richtig gut!“ Vom Start weg 60 bis 100 Gerichte fürs Take-away an jedem der vier Öffnungstage. „Das ist fast mehr, als wir mit unseren paar Sitzplätzen drinnen hätten machen können!“

Klein, aber oho!

Vielleicht sollten wir jetzt aber mal erklären, um welche Location es hier geht. Wir sitzen auf der Hinterhofterrasse der Weidenkantine. Bänke und Tische haben Zora und Ronja selbst gebaut und unter uns: Kochen, backen und einen Laden aufziehen können sie besser. Aber egal. 60 Quadratmeter messen Gastraum, Theke, Küche, Lager und Toiletten. 1800 Euro zahlt man für so ein Ladenlokal in Hamburg und hat dann 20 Plätze drinnen, etwa 60 draußen und eine Küche, in der es zu zweit schon eng ist – hier zählt jeder Zentimeter! Dafür aber ist die Lage gut: Die Weidenkantine hat ihren Namen von der Weidenallee, einer der gastronomischen Hauptschlagadern Hamburgs und die direkte Verbindung von Sternschanze und Eimsbüttel.

Das allein aber erklärt nicht, warum Zora, 31, und ihre Schwester Ronja, 27, trotz Lockdown wie die Weltmeister durchstarten konnten. „Instagram hat ein bisschen geholfen“, sagt Zora, die rund 40 000 Follower hat. Zudem war der NDR da, hat vom neuen Laden berichtet und den langen Schlangen, die sich vor allem samstags gebildet haben: beim Schnecktakel. „Wir haben für den Samstag einfach Hefeschnecken gebacken“, sagt Zora. „Für 2,80 Euro das Stück. Die sind uns richtig aus den Händen gerissen worden. Fast 1000 Euro in fünf Stunden – nicht schlecht, oder?“ Dazu muss man wissen: Die veganen Hefeschnecken (mit Mohn oder Zimt, Kirsch-Schoko, Walnuss-Ahorn, Himbeer-Tonka oder auch Nuss-Nougat) kamen einfach aus einem handelsüblichen Backofen. Kein Gastro-Spezialgerät, sondern ein Haushaltsofen mit 90 Zentimeter breiter Klappe.

Drei Bleche, auf jedes passen 15 Schnecken – fertig. „Ich hab’ um acht mit dem Backen angefangen. Ronja hat vorn ofenwarm verkauft und schon bald roch die ganze Straße nach Streusel oder Zimt.“ Nach dem ersten Schnecktakel rüsteten die beiden Schwestern auf und kauften einen Bollerwagen. Häh? „Wir haben uns die Knetmaschine von Benny ausgeliehen, der hat das Somedimsum auf der anderen Straßenseite“, klärt mich Zora auf. Das machte es viel einfacher, Samstag für Samstag zehn Kilo Mehl zu verarbeiten.

Abends wird nicht geschafft

Das Schnecktakel ist aber bei Weitem nicht die einzige Besonderheit der Weidenkantine. Die Öffnungszeiten sollte man auch erwähnen. Dienstags bis freitags von zwölf bis fünf am Nachmittag, am Wochenende von zehn bis fünf. Ende. Montags ist Ruhetag und abends bleibt der Laden zu. „Ein oder zwei Events im Jahr machen wir schon“, sagt Zora. „Aber ich hab’ einfach keine Lust, abends oder nachts zu arbeiten. Da liege ich lieber auf der Couch oder mach’ was mit Freunden. Übrigens: Für uns ist es mit diesen Öffnungszeiten gar nicht so schwierig, Personal für den Service oder die Küche zu finden.“

Nichts wegschmeißen!

In der Küche wird derweil schon aufgeräumt. Die beiden Tagesessen sind komplett ausverkauft. Das Zürcher Putengeschnetzelte für 11,50 Euro ebenso wie die vegetarischen Spinat-Gnocchi für 10 Euro. „Wir vermeiden Food-Waste wo immer möglich“, beantwortet Zora meine nächste Frage, ehe ich sie stelle. „Wenn mal was überbleibt, geht das an Too Good To Go. Wir schmeißen nichts weg.“

Von Zora könnte man noch so viel erzählen. Warum sie so viel und gern mit Like Chicken oder Vegetarian Butcher arbeitet. Mit welchem superbekannten Hamburger Fernsehkoch ihre nächste Show sein wird und wie sie sich per Zufall in die Immobilie hier an der Weidenallee schockverliebt hat. Warum ihre Schwester als Organisationsgenie so wichtig ist, welche Rolle Bruder Oli als Gastro-Konzept-Entwickler spielt, wann ihre nächste Kantine in Hamburg aufmacht und wie sie Kochbücher macht, die zu Bestsellern werden. Viele gute Gründe, um demnächst einfach mal wieder vorbeizukommen. Vielleicht ist ja noch ein Tisch für drei frei …