Bio in der Großküche – gewusst wie

Die Politik will es, der Gast wünscht es und der Küchenleiter soll es – ein gesundes und nachhaltiges Speisenangebot, das dem Bedarf und den Bedürfnissen aller entspricht und bezahlbar ist. Und schmecken soll es natürlich auch noch. Bio-Produkten kommt hierbei eine Schlüsselrolle zu, denn sie tragen wesentlich zum Natur- und Umweltschutz, zur Ressourcenschonung, zum Tierwohl und zu einer gesunden Ernährung bei.

Wie aber geht man an das Thema ran? Gibt es ein Erfolgsrezept für die Einführung von Bio-Produkten in der Großküche? Ist der Einsatz von „mehr Bio“ gerade jetzt, in Zeiten steigender Kosten, überhaupt finanzierbar? Was ist bei den Küchenabläufen zu beachten und wird eine Bio-Zertifizierung benötigt? Lesen Sie im folgenden Artikel, was Bio ausmacht, warum es sinnvoll ist, auf Bio umzusteigen, wie vielfältig Bio einsetzbar ist und welche wichtigen Dinge bei alledem zu beachten sind.

 

 

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Die Zahlen sprechen für sich

Uns allen ist bewusst: Bio ist kein bloßer Hype. Das unterstreichen die folgenden Zahlen noch einmal deutlich. Der Anteil des Bio-Anbaus an der Gesamtanbaufläche in Deutschland ist immens: ganze 10,2 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen in Deutschland sind Bio-Flächen. Besonders hervor stechen hierbei der Obst- und der Hülsenfrüchte-Anbau – auf 1/5 aller Obst-Anbauflächen und ¼ aller Hülsenfrüchte-Anbauflächen wachsen Bio-Produkte.

Gerade in den vergangenen Jahren ist die Entwicklung beachtlich. Allein 2020 stellten deutsche Höfe insgesamt eine Fläche von knapp 120.000 Fußballfeldern auf Bio um. In den letzten fünf Jahren entschieden sich mehr als 8.000 deutsche Betriebe, ihre landwirtschaftliche Produktion auf Bio umzustellen.

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Warum Bio?

Zuallererst sind das Ziel und die Motivation wichtig. Warum wird eine Umstellung auf Bio oder die Erhöhung des Bio-Anteils angestrebt? Welche Vorteile und Herausforderungen sind damit verbunden? Binden Sie Ihre Mitarbeitenden ein. Ihre Begeisterung und Ihre Transparenz schaffen von Anfang an Vertrauen und Verständnis für die neuen Aufgaben und das neue Vorgehen.

Das Schlagwort schlechthin: Nachhaltigkeit. Der Bio-Anbau trägt in großem Maße zum Umweltschutz, zum Klimaschutz und zum Erhalt der Arten in Acker-Flora und -Fauna bei: keine chemisch hergestellten Pestizide und Insektizide, artgerechte Tierhaltung, ein sparsamerer Wasserverbrauch und die Verwendung von Humus in Bio-Böden – einen besseren natürlichen CO2-Speicher, der auch noch im Prozess der Bio-Landwirtschaft selbst entsteht, gibt es kaum.

Ein weiterer Grund, der vor allem wirtschaftlicher Natur ist: die Nachfrage von Kunden und Gästen. Themen rund um Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Tierschutz bewegen die Gesellschaft und damit die Menschen wie kaum andere Themen. Es geht nicht nur darum, Herausforderungen zu meistern. Vor allem geht es auch darum, Chancen zu nutzen, die Menschen abzuholen und dabei etwas Gutes zu tun. Gerade im Catering sowie in der Kita- und Schulverpflegung gibt es immer öfter Ausschreibungen, die sogar einen gewissen Anteil an Bio-Produkten fordern – und dieser Anteil ist teilweise gar nicht so gering.

 

Informieren Sie sich

Informieren Sie sich und Ihre Belegschaft. Das Internet bietet eine große Vielfalt von Informationen über Produkte, Verfahren, Fortbildungen, Beratungs- und Fördermöglichkeiten, Praxisbeispiele und so weiter. Kontaktieren Sie Kolleginnen und Kollegen, schließen Sie sich einem Netzwerk an, z. B. den Bio-Mentoren – ein Netzwerk aus Führungskräften der Gemeinschaftsverpflegung und Gastronomie, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, ihr Wissen und ihre Praxiserfahrungen mit anderen zu teilen.

Des Weiteren gibt es unzählige Fortbildungsveranstaltungen, sowohl bundesweit als auch in den einzelnen Bundesländern, ebenso wie viele regionale Praxisprojekte. (z. B. Bio-Städte Bonn, Bremen, München, Bio-Metropole Nürnberg, Ökomodellregionen NRW, etc.)

Wo bekomme ich Bio her?

Bio-Produkte sind inzwischen wirklich überall erhältlich. Besonders wichtig für eine ständige Verfügbarkeit von Bio-Lebensmitteln ist jedoch eine professionelle Logistik – wie vor allem im Großhandel. Nur durch perfekt aufeinander abgestimmte Abläufe können Frische, Qualität und Geschmack stets gewährleistet werden – und das sogar häufig saisonunabhängig. Ein weiterer Vorteil des Großhandels sind die im Vergleich zum Einzelhandel deutlich geringeren Preise der Bio-Produkte. Und keine Frage: Die Auswahl an Bio-Produkten im Großhandel ist in jedem Fall noch ausbaufähig. Dennoch: Ein Bezug über Ihre bestehenden Lieferanten ist in der Regel effizienter als die Suche und Listung neuer, zusätzlicher Lieferanten.

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Einsatzmöglichkeiten für Bio-Lebensmittel

Überlegen Sie sich, wie Sie vorgehen. Planen Sie für die Einführung von Bio bzw. für die Steigerung des Bio-Anteils genügend Zeit ein und gehen Sie am besten schrittweise vor: Welche konventionellen Produkte wollen Sie durch Bio-Produkte ersetzen? Empfehlenswert ist es, zunächst mit den Produkten zu beginnen, bei denen der Preisunterschied zur konventionellen Ware nur gering ist. Kalkulieren Sie Ihr Speisenangebot durch, erhöhen Sie den Anteil an pflanzlichen Produkten, passen Sie ggf. Portionsgrößen dem Bedarf an und minimieren Sie die Lebensmittel- und Speisenabfälle. So lassen sich eventuelle Mehrkosten gut abfangen. Ein attraktives, leckeres Speisenangebot ist die Basis dafür, dass die die Gäste die Umstellung akzeptieren.

Eine Umstellung auf Bio-Lebensmittel muss überhaupt nicht so aufwendig sein, wie viele Verantwortliche denken. Denn das Angebot muss keineswegs zu 100 Prozent auf Bio umgestellt werden. Es gibt verschiedene Wege, das Essensangebot auf Bio umzustellen. Eine Möglichkeit für Einsteiger besteht darin, erst einmal nur einzelne Zutaten auf Bio umzustellen. Ein Tipp für beispielsweise die Schulverpflegung: Beginnen Sie die Umstellung bei einem Highlight-Produkt wie z. B. Nudeln. Nudeln werden in großer Menge verzehrt und sind äußerst beliebt. Einmal zertifiziert, können Sie mit Bio-Nudeln anschließend auch werben. Und siehe da: Mit geringem Aufwand und einer minimalen Umstellung kann ein Bio-Angebot vermarktet werden. Eine Möglichkeit für die Fortgeschrittenen: komplette Menus in Bio-Qualität anbieten. Alle einzelnen Zutaten müssen hierbei in Bio-Qualität sein, was unter Umständen ein ziemlich großes Sortiment umfassen kann. Es gibt in Deutschland auch Kantinen, die bereits vollständig auf Bio umgestellt haben. Bis dahin ist es allerdings ein sehr weiter Weg. Auch mit kleineren Schritten kann schon Großes bewirkt werden, auch ohne zu tief in die Tasche greifen zu müssen.

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Interne und externe Kommunikation

Wenn Sie auf Bio umstellen, möchten Sie Ihre Kunden und Gäste selbstverständlich auch darüber informieren und damit werben. Wichtig ist es hierbei vor allem, deutlich zu machen, warum Sie Bio-Produkte einsetzen – also beispielsweise die Verknüpfung zum Tischgast zu machen, der danach gefragt hat. Damit geben Sie Ihren Gästen das Signal: Wünsche und Anregungen sind willkommen und die Küche versucht, entsprechend zu reagieren.

Darüber hinaus ist das Thema Bio wunderbar mit großen Trends zu verknüpfen – etwa mit vegetarischer, veganer, fairer oder regionaler Ernährung. Durch die richtige Kommunikation werden alle Menschen angesprochen – sowohl diejenigen, die sich mehr Bio wünschen, als auch diejenigen, die noch nicht im Thema sind und durch Aktionen abgeholt werden. Beispielhaft seien hier Bio-Aktionstage, Bio-Aktionswochen oder ähnliche Ideen genannt. Versuchen Sie, das Thema Bio möglichst aktiv an den Tischgast heranzubringen.

Doch der Erfolg ist auch stark abhängig von einer guten Kommunikation gegenüber dem gesamten Küchenteam. Insbesondere das Personal bei der Ausgabe oder im Service sollte hinter der Idee stehen und sich gegenüber den Gästen damit identifizieren. Bilden Sie Ihre Mitarbeitenden zu „Ernährungsbotschaftern“ aus, die den Gästen bei Fragen und Kritik freundlich, motiviert und kompetent Rede und Antwort stehen. Kommunikation ersetzt jedoch nicht die Kochkunst oder die attraktive Speisenpräsentation. In erster Linie muss das Essen immer noch eines: schmecken.

Bio-Auslobung löst Kennzeichnungspflicht aus

Die Bio-Zertifizierung ist vorgeschrieben, wenn Sie mit dem Bio-Siegel werben bzw. Ihre Gäste darüber informieren möchten, dass Sie Bio-Produkte verwenden. Seit dem 1. Januar 2022 gilt die neue EU-Bio-Verordnung. Die EU-Bio-Basisverordnung VO (EU) 2018/848 wird von Durchführungsverordnungen und delegierten Verordnungen ergänzt. Die Rechtstexte für den Ökologischen Landbau legen fest, wie Bio-Lebensmittel in der EU produziert, kontrolliert, importiert und gekennzeichnet werden.

Die Kennzeichnung kann ganze Bio-Speisen, nur einzelne Bio-Komponenten oder Zutaten betreffen. Nur der Bereich, für den Sie sich entscheiden, wird kontrolliert. Dazu muss die Küche eine amtlich zugelassene Ökokontrollstelle beauftragen. Erst nach erfolgreicher Bio-Zertifizierung darf die Einrichtung Bio-Produkte auf dem Speiseplan kennzeichnen.

Das heißt: Ohne offizielle Bio-Zertifizierung dürfen Sie zwar Bio-Produkte verwenden, auf Ihrer Karte oder auf andere Art und Weise allerdings nicht damit werben. Wenden Sie sich für eine Bio-Zertifizierung einfach an eine Öko-Kontrollstelle in Ihrer Region. Nach erfolgreicher, bestandener Prüfung bekommen Sie Bio-Siegel und andere Materialien zur Kommunikation zur Verfügung gestellt.

 

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Und was kostet das?

Die Umstellung auf Bio ist teuer, denken Sie? Das stimmt so nicht. Auch hier ist es wichtig, das Angebot schrittweise umzustellen. Bei einer schrittweisen Umstellung von konventionellen Produkten auf Bio-Produkte liegen die Mehrkosten maximal im Cent-Bereich. Finanziell betrachtet sollten Sie nicht direkt mit den teuersten Produkten, wie beispielsweise Fleisch, beginnen. Hier bestünde die Gefahr, dass der Gast das Essen als zu teuer empfindet und es damit gar nicht erst auf dem Teller landet.

Unser Tipp: Achten Sie darauf, was saisonal verfügbar ist. Saisonale Bio-Produkte sind deutlich günstiger als nichtsaisonale Ware. Und noch eine Empfehlung: Beginnen Sie doch mit Trockenware wie Nudeln, Reis oder Hülsenfrüchte. Diese können sie recht einfach und ohne größere Preissteigerung ersetzen.

Unterstützung durch externe Expertinnen und Experten

Holen Sie sich fachliche Unterstützung durch externe Berater hinzu, um z. B. Ihre betrieblichen Prozesse anzupassen, die Mitarbeitenden zu schulen oder eine Bio-Zertifizierung umzusetzen. Insbesondere Workshops, in denen mit externer Unterstützung gemeinsam mit den Mitarbeitenden Maßnahmen zur Steigerung des Bio-Anteils erarbeitet werden, tragen besonders effektiv zur Umsetzung bei.

Unsere Broschüre zur Bio-Beratung

Für Unternehmen der Außer-Haus-Verpflegung gibt es dafür Fördergelder vom Bund: Bis zu 80 bzw. 90 Prozent der Beratungs- oder Schulungskosten inklusive Reisekosten werden vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) im Rahmen des Bundesprogramms Ökologischer Landbau (BÖL) übernommen. Ziel der Beratung bzw. Schulung muss es sein, einen Bio-Anteil von mindestens 30 Prozent des monetären Wareneinsatzes zu erreichen.

Unser Fazit

Eines wird klar: Bio lohnt sich immer – sowohl für Umwelt als auch für uns Menschen. Eine Umstellung von konventioneller Küche auf die Verwendung von Bio-Produkten muss nicht auf einen Schlag erfolgen. In mehreren Etappen ist sie häufig deutlich sinnvoller, kostengünstiger und einfacher umzusetzen. Möchten Sie noch mehr zum Thema Bio wissen? Oder benötigen Sie Hilfe auf dem Weg zur Bio-Zertifizierung? Wir helfen Ihnen gerne weiter!

Kontakte:

Iris Lindemann | iris.lindemann@chefsculinar.de

Jutta Herr | jutta.herr@chefsculinar.de

Iris Hassel
Über unsere Autoren
Iris Lindemann

Iris Lindemann ist Beraterin mit Herz und Seele. Schon seit 25 Jahren gehört sie zur CHEFS CULINAR Akademie und kennt sich bestens im Gebiet der Ernährung für Senioren und der Organisation in Pflegeheimen aus. Darüber hinaus gibt sie ihr Wissen in den Bereichen Kita- und Schulverpflegung, Allergien, Intoleranzen und Allergenmanagement weiter.

Jutta Herr
Über unsere Autoren
Jutta Herr

Unsere Spezialistin für alles rund um das Thema Qualitätsmanagement und Controlling in der Gemeinschaftsgastronomie. Steuerung der Lebensmittelkosten und Wirtschaftlichkeit sowie Personaleinsatzplanung und -bedarfsberechnung für Großküchen zählen ebenfalls zu ihrem Portfolio. Jutta Herr ist Diplom-Oecotrophologin und Qualitätsmanagerin/-auditorin (DGQ) und berät Sie, wie Sie "Qualität richtig managen". Ihr Fachbuch ist ein Leitfaden für Klinik- und Heimküchen bei der Einführung von QM-Systemen.